Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
meine Personalien. Und Frauen merken sich so etwas eben.
Matthew saß in seinem Esszimmer und starrte hinaus in den Garten. Das Gras dort stand hoch, er hatte sich in den letzten Wochen, in denen er hauptsächlich bei mir wohnte, nicht mehr darum gekümmert. Auf dem Tisch lag in kleinen Stapeln die Post, die die Haushälterin in seiner Abwesenheit hereingeholt hatte. Das Haus wirkte kalt und unbewohnt. Dunkel und irgendwie tot.
Max, der neben seinem Herrchen gelegen hatte, sprang auf und begrüßte mich freudig. Ich drückte mein Gesicht tief in sein langes Fell. Es war so gut, dass es ihn gab. Ich konnte spüren, wie wichtig er für Matthew war.
Matthew erhob sich ebenfalls, kam auf mich zu und schloss mich in die Arme. Wir verharrten lange so, schweigend, eng aneinandergepresst. Ich konnte seinen Herzschlag spüren und hoffte, dass er auch meinen spürte, dass er daraus etwas Kraft schöpfen würde. Und Trost. Schließlich löste er sich von mir und trat einen Schritt zurück. Ich forschte in seinem Gesicht nach den Spuren des Horrors, den er gerade durchlebte, aber er sah aus wie immer. Sehr müde. Aber das war nichts Neues.
»Die Universität hat mich angerufen«, sagte er. »Sie planen eine große Trauerfeier nächste Woche. Sie haben mich gebeten, ihnen dafür noch ein paar Sachen zukommen zu lassen, Fotos von Vanessa vor allem. Als Kind, als Studentin. Wenn möglich ein Bild von unserer Hochzeit. Ich bin hierhergefahren, um danach zu suchen, aber dann … Ich hatte plötzlich keine Energie dafür. Ich konnte hier nur sitzen. Bis du eben gekommen bist, habe ich mich, glaube ich, seit Stunden nicht bewegt.«
»Ich denke, es ist nicht gut, wenn du jetzt in alten Bildern kramst«, sagte ich verärgert über dieses Ansinnen. Wie konnte man einen Mann in seiner Lage um so etwas bitten? »Das kannst du später immer noch tun. Und außerdem können die ihre Trauerfeier auch ohne Fotos abhalten.«
»Das stimmt«, pflichtete mir Matthew bei. »Die Dame, die mit mir sprach, meinte, die halbe Stadt würde wahrscheinlich kommen. Es herrsche unglaubliches Entsetzen unter den Leuten.«
Das hatte ich auch von ein paar Kollegen gehört. Die Brutalität dieses Verbrechens schockierte jeden, ob ihm der Fall noch präsent gewesen war oder nicht. Zudem trug die Geschichte einen erschreckenden Aspekt in sich: Es hätte jeder sein können. Nicht eine völlig abgehoben lebende Millionärin war gekidnappt worden, mit der sich niemand identifizieren konnte. Sondern eine normal verdienende Universitätsdozentin, Ehefrau eines zwar etwas überdurchschnittlich verdienenden, aber keineswegs klotzig reichen Softwareexperten. Gehobene Mittelklasse mit schönem Haus in Mumbles, aber doch meilenweit entfernt von den oberen Zehntausend des Landes.
»Ob ich es schaffe, zu der Feier zu gehen, weiß ich allerdings nicht«, fuhr Matthew fort. »Im Moment kann ich es mir kaum vorstellen.«
»Du musst da nicht hin. Jeder kann verstehen, wenn dir das zu viel wird«, sagte ich. »Das kannst du spontan entscheiden.«
Da ich überzeugt war, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und wahrscheinlich nicht einmal etwas getrunken hatte, ging ich in die Küche und setzte Teewasser auf. In einem Schrank fand ich Teebeutel und ein paar Kekspackungen. Nicht gerade eine vollwertige Mahlzeit, aber besser als nichts. Ich ordnete die Kekse auf einem Teller an, trug sie dann zusammen mit der Kanne und den Bechern ins Wohnzimmer hinüber. Matthew trank wie ein Verdurstender, aß aber kaum etwas. Dann sah er mich an, und an seinem Blick erkannte ich, dass das, was jetzt kam, nicht zu diskutieren sein würde. Er hatte einen Plan, von dem er sich nicht würde abbringen lassen.
»Ich möchte dorthin fahren«, sagte er, »zusammen mit Max.«
»Wohin?«
»Nach Pembrokeshire. Zu der … Stelle, wo es passiert ist.«
»Das halte ich für keine gute Idee«, sagte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich muss es tun. Ich will an den Ort, an dem sie gestorben ist. Ich möchte dort Abschied nehmen.«
Irgendwie verstand ich ihn, aber ich hatte Angst, dass er zusammenbrechen würde. Wir hatten von dem kleinen, einsam gelegenen Tal gehört. Von der Höhle. Von der Holzkiste. Ich hätte mir das um keinen Preis ansehen wollen, und ich hatte Vanessa nicht einmal gekannt. Wie sollte er das aushalten?
»Wahrscheinlich ist dort doch alles abgesperrt«, sagte ich, »und man darf gar nicht hin.«
»Das ist mir egal. Ich werde dorthin gehen.«
»Dann lass mich
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