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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mit der Emanzipation. Der seine Werft und sein Leben aufgegeben hat, damit seine Frau ihre Selbstverwirklichung bis zum Wahnsinn betreiben kann. Schön wär’s. Ich würde mir diese Lorbeeren gern anheften, Jenna, ehrlich!«
    »Aber?«, fragte ich. Im Grunde interessierte mich das alles im Augenblick überhaupt nicht, ich dachte bloß fieberhaft darüber nach, wie ich hier herauskommen konnte, ehe die Flut mir keinen Raum mehr ließ. Ein Instinkt sagte mir jedoch, dass es gut war, Ken reden zu lassen. Solange ich im Gespräch mit ihm blieb, konnte ich ihn vielleicht erreichen.
    »Die Werft«, sagte er langsam. Ein Flackern war in seinen Augen, die unruhig umherschweiften. »Du hast sie ja gesehen. Tot. Leer.«
    »Ja, du sagtest …«
    »Vergiss, was ich sagte. Willst du die Wahrheit wissen? Tatsache ist, wir haben Pleite gemacht, als ich noch dort war. Keine Ahnung, warum, ich fand die Schiffe toll, die wir gebaut haben. Vielleicht waren wir nicht fleißig genug, vielleicht war die Konkurrenz zu groß. Ich musste die Leute entlassen, weil ich keine Löhne mehr zahlen konnte, und dann ging alles ganz schnell. Insolvenz, Auflösung der Firma. Wir gingen nach Swansea, weil Alexia nun arbeiten musste, um die Familie durchzubringen. Wir hatten bereits zwei Kinder, und irgendwie musste es weitergehen …«
    »Das … tut mir leid«, sagte ich unbeholfen. Die Geschichte hörte sich so ganz anders an als die, die ich bislang kannte. Dennoch zweifelte ich nicht, dass Ken die Wahrheit sagte. Seine Stimme verriet es und auch sein Gesichtsausdruck.
    »Ja, so war das. Wir vereinbarten, nichts davon zu erwähnen. Wobei ich sogar derjenige war, der lockerer damit hätte umgehen können. Ich allein hätte davon erzählt, ich empfand diese Pleite nicht gerade als ein Ruhmesblatt, aber auch nicht als ewige Schande. Alexia wollte, dass auf gar keinen Fall irgendjemand etwas davon erfuhr. Alexia musste ja immer unbedingt erfolgreich und strahlend sein, immer eine Siegerin. Sie wäre nicht damit zurechtgekommen, wenn alle Welt gewusst hätte, dass sie ausgerechnet beim Heiraten einen riesengroßen Fehler gemacht und sich einen Versager geangelt hat.«
    Ich fragte mich unwillkürlich, wie offen Alexia ihren Mann mit Begriffen wie Versager oder Verlierer konfrontiert hatte. Ich wusste, dass sie von brutaler Direktheit sein konnte.
    »Tja, und dann das Nächste«, fuhr Ken fort. »Du hast gefragt, weshalb ich nicht eine Arbeit in einem Schiffsbauunternehmen angenommen habe. Erfolgreicher Absolvent eines Schiffsbauingenieurstudiums, der ich war!«
    »Wegen der Kinder«, sagte ich, mutmaßte aber bereits, dass das nicht der Grund gewesen war.
    Er lachte. »Nein. Weißt du, das ist die nächste bittere Wahrheit: Ich bin überhaupt kein Schiffsbauingenieur.«
    »Nicht?« Das Wasser hatte den Felsen erreicht, auf dem wir saßen. Es schwappte über die Steine, gelangte aber noch nicht bis an die Wand, an der ich lehnte.
    »Nein. Ich habe mein Studium mittendrin abgebrochen. Irgendwie war mir die ganze Lernerei zu viel, und meine Noten wurden immer schlechter. Somit war es schwierig mit einer festen Anstellung: Ich hatte keinen Abschluss, und mein kleines Unternehmen hatte ich in die Insolvenz geführt. Insgesamt keine wirklich guten Voraussetzungen.«
    »Und Alexia wollte auch nicht, dass dein abgebrochenes Studium die Runde macht, schätze ich.« Was richtete es in einem Mann an, der von seiner Frau vergattert wurde, eine Lebenslüge nach der anderen aufzubauen, weil sie die Wahrheit blamabel und rufschädigend fand?
    »Nein, das wollte sie um keinen Preis«, bestätigte Ken. An ihm begann das Wasser bereits zu lecken, aber er schien es nicht zu bemerken. »Auf meinen angeblichen Ingenieur war sie ja so rasend stolz. Also zogen wir einfach eine andere Geschichte hoch: Wir bekamen noch mehr Kinder, ich wurde der Supermann, der für die Familie lebt, und Alexia startete die Traumkarriere!« Bei diesem letzten Wort verzog er verächtlich das Gesicht.
    Ich erhob mich und hangelte mich eine Etage weiter nach oben. Schon jetzt würde es äußerst schwierig sein, die Stufen, die hinaufführten, noch zu erreichen. »Ken, wir sollten …«, begann ich, aber er unterbrach mich: »Im Grunde hatten sich einfach zwei Versager gefunden. Wir hatten dieses popelige und viel zu kleine Häuschen gekauft und schafften es kaum, die monatlichen Zinsen zu bezahlen. Alexias große Karriere war ein besserer Witz, und wir fingen an, immer mehr und immer öfter zu

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