Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
sich die Farm kaum rentierte und dass Geld ein permanentes Problem darstellte.
Woher dieser Schlitten?
Corinne beschlich ein ungutes Gefühl. Sie wollte nicht albern sein, aber schlagartig wurde sie sich bewusst, wie einsam es hier war. Die ganze Zeit über war niemand vorbeigekommen. Sie war mutterseelenallein.
Sie ließ den rückwärtigen Scheibenwischer erneut laufen und sah, dass beide Türen des Autos hinter ihr offen standen und dass die Insassen den Wagen verlassen hatten. Plötzlich von echter Angst gepackt suchte sie hektisch nach dem Schalter, mit dem sie ihre eigenen Türen verriegeln konnte, aber noch ehe sie ihn gefunden hatte, wurde ihre Fahrertür schon aufgerissen. Ein Mann stand neben ihr. Schwarze Jeans, Regenjacke, eine Mütze über das Gesicht gezogen, die nur seine Augen frei ließ. Er packte sie mit groben Händen.
»Raus!«, herrschte er sie an.
Corinne begann schlagartig so zu zittern, dass sie die Kontrolle über ihre Muskeln verlor und sich nicht bewegen konnte.
»Ich … bitte … ich …«, stammelte sie.
»Raus«, wiederholte der Mann. Und als sie seiner Aufforderung noch immer nicht Folge leistete, zerrte er sie aus dem Auto und schleifte sie über den Wiesenrand hinüber zu dem Ford. Corinne hing wehrlos in seinen Armen. Der andere Mann, ebenfalls schwarz gekleidet und maskiert, setzte sich auf den Rücksitz des großen Autos, und Corinne wurde neben ihn geschoben. Sie war auf dem kurzen Stück vom Regen völlig durchnässt worden. Wasserrinnsale liefen ihr aus den Haaren über das Gesicht, ihr Mantel klebte wie ein nasser Lappen an ihrem Körper. Sie zitterte noch immer, vor Angst und vor Kälte. Zutiefst verwirrt fragte sie sich, was eigentlich gerade mit ihr passierte. Sie war eine ganz normale Frau auf dem Weg zu ihrer Arbeit. Sie war nicht reich, nicht berühmt, nicht jung. Was wollten diese Kerle von ihr? Und wo blieben Celina und ihre Mutter? Inzwischen waren sie eine Viertelstunde über der Zeit, selbst für Celinas Verhältnisse war das ungewöhnlich.
Warum kommt ihr nicht? Warum kommt niemand?
Der Mann, der sie aus ihrem Auto gezerrt hatte, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. Als die Scheibenwischer ansprangen, konnte Corinne ihren eigenen Wagen sehen. Mit offener Fahrertür stand er da. Niemand hatte den Überfall beobachtet. Man würde rätseln, was mit Corinne Beecroft geschehen war, aber man käme wahrscheinlich nicht dahinter. Es sei denn, ihre Kidnapper setzten sich mit Bradley in Verbindung. Aber zu welchem Zweck, um Himmels willen? Bradley hatte nichts als seine bescheidene Rente und das alte, kleine Häuschen am Rande der Welt, das er von seinen Eltern geerbt hatte. Sie selbst bekam das Gehalt einer Arzthelferin. Sie hatten, was sie brauchten, aber sie waren alles andere als wohlhabend.
Sie fuhren die Straße entlang. Erst fünf Minuten später kam ihnen endlich ein Auto entgegen. Corinne fragte sich, ob dem Fahrer das verlassene Auto mit offener Tür auf dem Standstreifen auffallen und ob er der Sache nachgehen würde. Sie hegte wenig Hoffnung, und der Regen machte die Sache noch aussichtsloser. Kaum jemand würde große Lust verspüren, auszusteigen und nachzusehen, was es mit diesem einsamen Wagen auf sich hatte. Die Einzigen, die sich vielleicht wirklich wundern und dann auch bei Bradley anrufen würden, waren Celina und ihre Mutter. Sie stellten die einzige Chance dar, dass nicht endlose Stunden vergehen würden, ehe sich jemand um ihren Verbleib sorgen würde. Denn selbst in der Praxis würde man nicht sofort Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn sie nicht da war. Man kannte sie als äußerst zuverlässige Mitarbeiterin, man würde davon ausgehen, dass es einen triftigen Grund für ihre Verspätung gab und dass sie sich irgendwann schon melden und alles erklären würde.
Es gelang ihr endlich, einen ganzen Satz zu formulieren, obwohl ihre Lippen dabei bebten. Ihre Stimme hörte sich seltsam an, fand sie.
»Bitte, warum tun Sie das?«, fragte sie. »Ich bin nicht reich. Ich meine, wir geben Ihnen alles, was wir haben, aber das ist nicht viel.«
»Halt den Mund«, sagte der Mann neben ihr. Er schien gelangweilt.
»Wohin bringen Sie mich?«, fragte Corinne.
»Ich habe gesagt, du sollst den Mund halten«, wiederholte der Mann. Er sah sie an. Sie konnte nur seine Augen in den schwarzen Schlitzen erkennen. Sie waren dunkel und zeigten nicht die geringste Regung, nicht das kleinste Mitgefühl. »Noch ein Wort, und du kriegst eins in die
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