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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Perspektive, war ein Alptraum. Er überlegte, dass es das Beste wäre, gegen die nächstbeste Mauer zu rasen, wusste aber, dass er dafür zu feige war. Wie er überhaupt feige war. Seine Feigheit trug einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass er sich überhaupt in diese ausweglose Lage katapultiert hatte.
    Es war fast halb elf, als er in Pembroke Dock ankam. Die Straßenlaternen brannten, und nur ganz im Westen lag noch ein hellerer grauer Schein über dem nachtschwarzen Himmel. Die Nächte wurden um diese Jahreszeit nicht mehr völlig dunkel. Der Sommer stand unmittelbar bevor. Ryan konnte sich daran nicht freuen.
    Er parkte, stieg aus, schloss den Wagen ab. Innerlich wappnete er sich. Es war wirklich spät geworden, sicher machte Nora sich Sorgen. Sie würde das Gespräch mit ihm suchen. Ihn fragen, weshalb er ihr und den gemeinsamen Abenden auswich. Wissen wollen, was los war. Er mochte das nicht. Er wollte allein sein. Er wollte mit niemandem reden.
    Die Männer standen plötzlich wie aus dem Boden gewachsen neben ihm. Der eine rechts, der andere links. Er hatte sie nicht kommen hören und hätte nicht zu sagen gewusst, wo sie vorher gewesen waren.
    »Ryan Lee?«, fragte der eine von ihnen.
    Kurz überlegte Ryan, ob es Bullen waren. Sie sahen allerdings eher wie Zuhälter aus. Nicht grell gekleidet oder mit Schmuck behangen, aber sie wirkten brutal und vollkommen gefühllos. Killermaschinen. Und solche Polizisten hatte Ryan noch nie erlebt.
    »Ja?«, antwortete er fragend.
    Eine Hand schloss sich fest um seinen Oberarm. Der Griff war nicht schmerzhaft, aber dennoch drohend. Er war klar als Warnung zu verstehen: Ryan brauchte an eine mögliche Flucht nicht einmal zu denken.
    »Damon möchte dich sprechen. Wir bringen dich zu ihm.«
    Jetzt also war es so weit.
    Jetzt hatten sie ihn.
    3
    Damon empfing Leute wie Ryan nicht in seinem Büro oder in seinem Wohnhaus, überhaupt nicht in einem Gebäude, das später in irgendeinen Zusammenhang mit ihm gebracht werden konnte. Das erste Mal vor vielen Jahren hatte Ryan ihn im Hinterzimmer eines Pubs getroffen, beim zweiten Mal in einer Hotelsuite. Er wusste, dass in diesen Fällen alle Vorkehrungen getroffen waren, dass Damons Anwesenheit an jenen Orten später nie nachweisbar wäre. Offiziell hatte es die Begegnungen nicht gegeben. Sollte der Besucher später nicht mehr leben, würde niemand wissen, dass er zuvor an den entsprechenden Plätzen gewesen war. Irgendwie schaffte es Damon, trotz der Blutspur, die er hinter sich herzog, stets unsichtbar zu bleiben. Es war Ryan schon immer ein Rätsel gewesen, wie dieses System funktionierte, aber er wusste auch, dass eine kleine Nummer wie er nie dahintersteigen würde.
    Er saß auf dem Rücksitz einer Limousine, einer der Männer neben ihm, der andere am Steuer. Sie hatten ihn auf Waffen untersucht, aber natürlich nichts gefunden. Halb hatte er erwartet, dass man ihm die Augen verbinden würde, aber das geschah nicht; offensichtlich sah man keinen Anlass, den Weg, den sie nahmen, zu vertuschen. Ryan kannte sich in der Gegend, in die sie kamen, nachdem sie Pembroke Dock verlassen hatten, nicht aus. Südwestliche Richtung würde er schätzen, war sich aber nicht ganz sicher. Sie kamen durch zwei verschlafene Dörfer, dann schienen sie jede menschliche Ansiedlung hinter sich gelassen zu haben. Ryan sah rechts und links der schmalen Landstraße weite Ebenen, Felder und Wiesen. Gelegentlich ein Bauernhaus.
    Wahrscheinlich waren sie dicht am Meer.
    Er wartete auf seine übliche Panikreaktion, aber sie stellte sich nicht ein. Dafür, dass er möglicherweise zusammengeschlagen oder am Ende sogar erschossen werden würde, blieb er erstaunlich ruhig. Und gefasst. Natürlich hatte er Angst. Aber die Angst war irgendwo tief in ihm verschlossen. Zusammengeballt in einem festen Klumpen, der sie festhielt. Sie konnte sich nicht in Ryan ausbreiten. Das war die Art Angst, die er immer gekannt hatte. In seinem Leben vor Vanessa.
    Sie bogen von der Landstraße ab und fuhren eine Auffahrt entlang, die zwischen einigen ausladenden Bäumen hindurchführte. Die Auffahrt öffnete sich zu einem kiesbestreuten Platz, der sich vor einem imposanten Haus befand. Ein schlichtes Gemäuer, das aber durch seine Größe und Wuchtigkeit beeindruckte. Der typische Wohnsitz irgendeines kleineren Landadligen. Mit Sicherheit nicht Damons Haus. Aber wahrscheinlich stand er mit dem Eigentümer in irgendeiner Verbindung und nutzte es hin und wieder. Womöglich

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