Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
handelte es sich sogar um einen Politiker. Ryan hielt das nicht für ausgeschlossen.
Sie stiegen aus. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Die Luft roch stark nach Meerwasser. Ryan konnte sich vorstellen, dass gleich hinter dem Haus die Klippen begannen. Vielleicht würden sie ihn dort hinunterwerfen. Er würde zerschellen und ins Wasser rutschen, und irgendwo würde er angeschwemmt und gefunden werden. Wahrscheinlich hielt man ihn für einen Wanderer, der unachtsam gewesen und ausgerutscht war. Tragisch, aber diese Dinge geschahen immer wieder. Sein Tod würde nicht einmal für eine Zeitungsnotiz reichen.
Die Männer eskortierten ihn ein paar Stufen hinauf zur Haustür, die sie mit einem leichten Stoß öffneten. Kühle, abgestandene Luft schlug ihnen entgegen. Ein steinernes Treppenhaus, ein schwarz-weiß gemusterter Fußboden. Ein paar Gemälde an den Wänden, die ziemlich kitschig dargestellte Landschaften zeigten. Ein Hirschgeweih. Eine Krokodilhaut, die an die Täfelung neben der Treppe genagelt war. Rote Läufer auf den Stufen.
Das waren ein paar Momentaufnahmen, die Ryan im Vorbeigehen aufschnappte, ohne wirklich zu realisieren, was er eigentlich sah. Dann wurde schon eine weitere Tür geöffnet, und seine Bewacher schoben ihn in einen Raum. Eine Art Salon, etwas überladen möbliert, ebenfalls muffig und staubig.
Und mitten darin Damon, der in einem wuchtigen Ledersessel fast versank. Der aufstand und lächelte, als habe er einen alten Freund vor sich.
»Hallo, Ryan«, sagte er, »wie schön, dass du kommen konntest!«
Als sei Ryan freiwillig einer Einladung gefolgt. Und nicht von zwei muskulösen Typen hierher genötigt worden.
»Hallo, Damon«, sagte Ryan. Seine Stimme hörte sich gepresst an.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Damon und wies auf einen Servierwagen, der neben einem Sofa stand und eindrucksvoll mit jeder Menge Flaschen bestückt war: verschiedene Whiskysorten, soweit Ryan das erkennen konnte, aber auch etliche Liköre und Schnäpse.
»Nein, danke«, sagte er.
Damon lächelte noch immer. Wieder einmal war Ryan überrascht, wie harmlos dieser Mann auf ihn wirkte, obwohl er so viel über all den Schrecken wusste, den Damon und seine Schlägertrupps verbreiteten. Dennoch war sein Erstaunen immer wieder echt. Damon war eher klein, zumindest fast einen Kopf kleiner als Ryan, und er war so mager, dass es den Anschein hatte, er leide unter irgendeiner heimtückischen, ihn langsam auszehrenden Krankheit. Er hatte eine hellrosafarbene Haut, hellblaue Augen und graubraune Haare, trug einen grauen Leinenanzug, darunter ein blaues Hemd. Er wirkte vollkommen unscheinbar, ein Mann, den man sich nur schwer merken konnte. Hätte Ryan nicht gewusst, wen er vor sich hatte, er hätte auf einen Buchhalter getippt, vielleicht auch auf den Filialleiter eines Supermarktes.
Aber niemals auf einen der gefährlichsten Gangsterbosse Englands, der seine Finger in so vielen illegalen Geschäften hatte, dass einem schwindelig werden konnte.
»Setz dich doch, Ryan«, sagte Damon und wies auf einen Sessel.
Zögernd nahm Ryan Platz. Er fragte sich, wo die beiden Männer geblieben waren, die ihn hergebracht hatten. Wahrscheinlich standen sie draußen vor der Tür und warteten auf ihren Einsatz – wie immer der aussehen würde.
Auch Damon setzte sich wieder.
»Nun, Ryan, wie ist es dir ergangen? Du warst im Gefängnis, wie ich hörte?«
»Ja.«
»Dumme Sache. Ich nehme an, du wolltest den Jungen damals nicht so schwer verletzen, oder?«
»Nein. Natürlich nicht.«
»Ja. Manchmal laufen die Dinge einfach aus dem Ruder. Und Knast ist eine elende Erfahrung!«
»Das stimmt«, pflichtete Ryan bei. Er wünschte, Damon würde endlich zur Sache kommen. Er hatte ihn mit Sicherheit nicht hierherbringen lassen, um ein wenig Small Talk zu betreiben.
»Tja, und nun bist du schon seit März wieder draußen«, sagte Damon, »seit zwei Monaten. Ehrlich gesagt, ich bin ein bisschen enttäuscht, dass du dich gar nicht bei mir gemeldet hast. Ich dachte eigentlich, wir sind so etwas wie alte Freunde?«
Ryan erwiderte nichts. Was hätte er auf eine so offensichtlich zynische Bemerkung auch sagen sollen?
»Und schließlich«, fuhr Damon fort, »gibt es zwischen uns ja auch noch das eine oder andere zu klären, nicht wahr?«
»Damon, ich …«, hob Ryan an, doch Damon brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Zwanzigtausend Pfund. Die gilt es zu klären.«
Ryan seufzte.
Damon zog einen Zettel aus seiner
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