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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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heute Abend viel weniger Menschen auf der Straße als sonst.«
    »Dein Eindruck täuscht dich nicht«, brummte Achim. »Es liegt tatsächlich etwas in der Luft. Von einer Ausgangssperre weiß ich nichts, aber wir sollten trotzdem zusehen, dass wir so schnell wie möglich nach Hause kommen. Es ist nicht mehr weit.«
    Sie setzten ihre Wanderung durch die verwinkelten Straßen der Altstadt fort. Anna berichtete Achim gerade in Kürze von ihrem Ausflug zum Foelkenorth bis hin zu ihrer ersten Begegnung mit Ingrid, als er sie plötzlich hart am Arm packte und zurückriss.
    »He! Was soll das?« Vergeblich versuchte Anna, sich aus seiner Umklammerung zu befreien, und sah gerade noch, wie ein Auto mit viel zu hohem Tempo nur wenige Zentimeter an ihr vorbeizischte.
    »Verdammt, warum hat der kein Licht an?«, schimpfte Achim dem Wagen nach. »Das muss doch zu einem Unfall führen.«
    Achim hatte Anna nicht losgelassen und drückte sie jetzt noch stärker an sich. Sie hatte seiner Kraft nichts entgegenzusetzen, wehrte sich aber trotzdem. »Lass mich bitte«, keuchte sie. »Die Gefahr ist vorüber.«
    Sofort löste er seine Arme und trat einen Schritt zurück. »Entschuldige. Ich habe mich so über diesen Idioten erschrocken.«
    »Kein Problem.«
    Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Anna saß der Schreck über den Beinahe-Unfall und Achims Reaktion noch in den Gliedern. Seine Umklammerung hatte etwas unangenehm Forderndes gehabt. Sie war irritiert, dabei wäre sie ohne sein Eingreifen jetzt wahrscheinlich auf dem Weg ins Krankenhaus. Oder tot. Sie sollte ihm dankbar sein.
    Nach wenigen Minuten legte Achim seine Hand leicht auf ihre Schulter und lenkte sie in einen Durchgang, über einen großen Innenhof und in einen weiteren Durchgang, an dessen Ende sich die Stäbe eines Gitters vor verschwimmendem Kerzenlicht abzeichneten. Achim öffnete ein Vorhängeschloss, stieß das Gitter auf und überließ Anna den Vortritt. Neugierig verließ sie den dunklen Tunnel – und blieb wie festgenagelt stehen. Vor ihr lag ein Hof, in dessen Mitte ein viereckiger, nur wenig über mannshoher Schrein thronte. Das Dach des Schreins hatte die Form einer halben, auf die Schnittfläche gestellten Honigmelone und gipfelte in eine von stilisierten Lotusblättern umgebene Krone, während die Wände des kleinen Heiligtums mit Reliefs von Göttern geschmückt waren. Anna hatte in Kathmandu Dutzende ähnlicher Schreine gesehen, und dieser unterschied sich in seiner Kunstfertigkeit nicht von allen anderen. Nein, etwas anderes ließ ihr den Atem stocken.
    Rings um den Schrein verlief ein kniehohes Eisengeländer, auf das Dutzende und Aberdutzende Näpfchen geschmiedet waren. In jedem einzelnen flackerte ein Öllicht, was dem Hof einen märchenhaften, der Welt entrückten Zauber verlieh.
    »Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim«, sagte Achim. Stolz schwang in seiner Stimme mit, aber auch überraschende Zärtlichkeit. Er liebt diesen Ort, dachte Anna. Kein Wunder.
    »Ich habe selten etwas Schöneres gesehen.« Jetzt nahm sie auch die den Hof umgebenden Fassaden wahr. Die Häuser ragten drei Stockwerke in den schwarzen Nachthimmel. Umso einladender erstrahlten die vielen von Kerzenlicht erhellten Fenster. Sattbraune, mit reichen Schnitzereien versehene Fensterrahmen standen in sauberem Kontrast zu der strahlend weiß getünchten Wand, und über allem schwebten einige Balkone mit schiefen Holzgeländern im selben Dunkelbraun. Die Restaurierung des alten Gebäudes musste ein Vermögen gekostet haben, aber in Annas Augen war sie jede Rupie wert.
    »Was für eine dramatische Präsentation«, bemerkte sie. »Hast du den Stromausfall extra bestellt?«
    Er lachte. »Wer weiß? Aber sieh doch, die Damen des Hauses.« Er zeigte auf einen der Balkone, wo eine junge und eine ältere Nepalesin herausgetreten waren und neugierig auf Anna herunterschauten. Anna hob die Hand zum Gruß, und die ältere winkte zurück, bevor sich beide wieder ins Innere des Gebäudes zurückzogen.
    Wenig später saßen sie zu viert um einen vom Alter gezeichneten Holztisch. Achim hatte nicht zu viel versprochen: Seine Frau Brinda und seine Adoptivtochter Sapana hatten ein Festmahl vorbereitet. Vier verschiedene Currys verbreiteten ihren Duft von Sternanis und Nelken, Kurkuma und Kreuzkümmel und Kardamom in dem behaglichen Raum. Er hatte eine niedrige, von tragenden Balken durchzogene Decke und einen von jahrhundertelanger Benutzung blankpolierten Dielenboden. Außer

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