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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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wächst der Bergradicchio, ein Art Löwenzahn, in meinem Gemüsegarten noch besser. Nachdem ich meinen Sack gefüllt hatte, setzte ich mich noch eine Weile vor die Höhle und schaute auf die Dörfer des Cadoretals hinunter. Da hörte ich plötzlich wieder diesen Wind heransausen. Und schon stand sie wieder da wie Tage zuvor unten in der Höllenpforte: Was machst du hier?, worauf ich: Und du, was machst du hier? Sie kam zu mir und fing an mich zu befingern und mir zuzureden, doch endlich aufzuwachen und nicht so dumm zu sein, das Leben sei viel zu kurz und ginge schnell an einem vorbei, und es wäre doch schade, es einfach wegzuwerfen. Ich erwiderte ihr, dass ich mein Leben nicht wegwerfen würde, aber zugleich auch nicht Raggio verraten wolle, indem ich es seiner Frau machte. Daraufhin sagte sie mir, dass das da sich ja nicht verbrauchen würde, wenn es mal ein anderer benutzte, und dass mein Freund Raggio es jedenfalls kaum gebrauchte, er sei nicht einmal fähig, ihr ein Kind zu machen. Mehr als zwei Jahre seien sie nun verheiratet und keine Spur von einem Kind.
    Ich antwortete ihr, es könne ja vielleicht auch sie der Grund dafür sein, das die Kinder ausblieben. Worauf sie zurückgab, und dabei griff sie mir wieder zwischen die Beine und leckte mich nach Art salzleckender Ziegen am Hals, sie könne sehr wohl Kinder haben, und mit mir bekäme sie sofort eines, das spüre sie, da sei sie ganz sicher, so wie eine junges Rind vor dem ersten Kalben. Dann versetzte sie mir einen solchen Stoß, dass ich nach hinten umfiel, und blitzschnell kam sie über mich. Ich war mit dem Rücken im Ziegenmist gelandet, völlig verdreckt, und sie über mir mit hochgezogenem Kleid, feuerrot, sagt, komm, sei nicht so blöd, und hol ihn raus. Vergebens versuchte ich, sie abzuschütteln, aber sie ließ mich nicht los, und so waren wir am Ende nicht mehr als zwei Misthaufen, die sich mal hier-, mal dorthin wälzten. Bis ich ihr eine Ohrfeige verpasste. Daraufhin raffte ich mich wieder auf die Beine und sagte ihr, sie solle es nie wieder probieren, dann machte ich mich, völlig mit Mist verdreckt, mit meinem geschulterten Sack auf den Weg zum Wiesengrat.
    Während ich aufstieg, hörte ich sie noch schreien, dass ich wirklich blöd sei und zu nichts tauge, und wozu mir denn überhaupt noch das Ding zwischen meinen Beinen nützen würde, ich solle es doch besser gleich abschneiden und den Katzen zum Fraß vorwerfen. Um ehrlich zu sein, war es in diesem Moment nicht einmal mehr der Respekt vor Raggio, der mich bremste, es ihr zu machen und ihr eine gehörige Abreibung zu verpassen. Sie machte mir irgendwie Angst, denn tief im Leib ließ sie mich eine schwarze Pulvermine spüren, die jederzeit explodieren konnte. Nicht dass ich Angst davor hatte, ihn ihr dort reinzustecken, wo sie wollte, aber zugleich wusste ich, dass ich danach keinen Frieden mehr finden würde. Sie war wie eine erregte Kalbin, total verrückt und von dem einzigen Wunsch besessen, mein Ding zu kriegen. Würde ich es ihr auch nur ein einziges Mal machen, würde sie mich ganz sicher in das tiefste Verderben stürzen, so wie die Lawine vom Valorch die Bäume hinab bis zum Vajontwildbach mitriss. Davon war ich wie durch ein höheres Zeichen fest überzeugt.

In jenem Jahr dauerte die Heuernte länger, denn es gab schönes Wetter und reichlich gutes Gras, und man brachte täglich bis zu vierzig Schlitten Heu ins Dorf. Am Abend stimmten die Schnitter unter der Melissahöhle ihre Lieder an, und zugleich konnte man andere Männer von der Galvanaalm her, unterhalb der Becolahöhle, singen hören. Das waren die Holzfäller, die das Holz aus den Wäldern von Col de Ter und Col dal Mus herunterbeförderten. Sie hatten es im November geschnitten, mehr als neuntausend Doppelzentner. Einer unter ihnen, Giomaria de Stièfen, erzählte mir, dass er seine Nudelsauce mit den braunen Waldmäusen, die in den Buchenwurzeln wohnen, anrichtete. Für eine Pfanne Soffritto bräuchte man zwölf bis dreizehn Mäuse. Er fing sie mit Holzfallen, zog ihnen das Fell ab und briet sie in etwas Butterschmalz, was dann zusammen mit den passenden Kräutern eine selten gute Pastasciutta ergab.
    Das dritte Mal, dass die Frau von Raggio mich bedrängte, war in der Höhle der alten Melissa. Es war gegen elf Uhr, und alle Männer und Frauen waren bei der Heuarbeit auf den weiten Wiesen des Palazza. Sie hatten sich über die unteren Wiesen verstreut, die oberen waren schon abgemäht. Ich glaube, sie hatte absichtlich

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