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Im Tal des Vajont

Im Tal des Vajont

Titel: Im Tal des Vajont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauro Corona
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zudrückte. Ich drehte mich um und sah dem ins Gesicht, der mich im Kessel ertränken wollte. Es war Raggio, mit Augen, die ihm aus dem Kopf herausstanden. Ich versetzte ihm einen so starken Schlag, dass er jetzt fast selbst in den Kessel hineinstürzte. Dass es Raggio war, hatte ich mir schon gedacht, aber ihn so direkt vor mir zu sehen ließ eine ungekannte Wut in mir aufsteigen. Ich zog ihn zu mir heran und gab ihm einen weiteren Schlag, dass er zu Boden sank wie ein frisch geborenes Kalb, das sich noch nicht auf den Beinen halten kann. Dann stellte ich ihn wieder auf die Füße, schob ihn zur Tür und warnte ihn, er solle das nie wieder versuchen, denn dann würde ich ihn wirklich umbringen.
    Bevor er wegging, nahm er seinen Königsstab, den er draußen gelassen hatte, erhob ihn in die Luft und sagte noch, früher oder später würde er mich erschlagen mit dem Stab, denn ich sei die Ursache all seines Unglücks. Dann drehte er sich um und verschwand.
    Während ich schließlich mit durchnässtem Hemd versuchte, den Käse abzustreifen, dachte ich, wie alles so schlimm werden konnte und dass es so nicht weitergehen konnte. Einer von uns war zu viel und musste aus dem Dorf fortgehen, aber weder ich noch er waren bereit, unser Tal zu verlassen. Als ich dann den Käse mit den Händen knetete, spürte ich auf einmal etwas Hartes. Ich zog es heraus, und es war Raggios Krone, die zusammen mit ihm in den Kessel gefallen war, als ich ihm den ersten Schlag versetzt hatte. Ich wusch sie unter Wasser ab und brachte sie nach der Arbeit zu meinem Bruder Bastianin, der sie später dem König zurückgab.

Eines Tages nahm ich meinen Mut zusammen und ging zu Raggios Haus mit der Absicht, ihm zu erklären, wie es zu allem gekommen war. Auch wenn ich wenig Hoffnung hatte, dass er mich verstehen würde, ich wollte es versuchen.
    Er saß auf dem Treppeneinsatz vor der Haustür und sprach laut zu sich selbst. Er schien mich nicht zu sehen und brummte weiter vor sich hin, auch nachdem ich ihn zwei-, dreimal angesprochen hatte. Dann richtete er laute Klagerufe gen Himmel, voller Wut auf die alte Melissa dort oben, die von allen verdächtigt wurde, die Schnitter getötet zu haben. Er schrie, dass es ihr Fluch war, der ihm und mir und seiner Frau Unglück gebracht hätte, wie überhaupt allen im Dorf, den Toten, den Lebenden und denen, die noch sterben würden. Und er wusste, auf welche Weise wir alle dafür bezahlen würden, sie umgebracht und vor allem beseitigt zu haben, denn, so fuhr Raggio fort, man könne jemanden töten, aber der habe dann wie alle Christen auch das Recht, unter der Erde begraben zu werden. Dann brüllte er noch, dass er ein König sei, und keine vermaledeite alte Schlampe könne ihm etwas Böses antun, und überhaupt habe er vor niemandem Angst. Dabei fuchtelte er mit seinem Stab wild in der Luft herum, als wolle er der alten Hexe Melissa oben im Himmel drohen.
    Ein letztes Mal noch redete ich ihn an, doch weder hörte noch sah er mich, und so drehte ich mich um und ging. Im Fortgehen dachte ich, dass seine Frau die wahre Hexe war und nicht die alte Melissa, und auch mich hatte sie verhext, sonst wäre es nicht so weit gekommen, dass ich meinem Freund etwas derart Böses habe antun können.
    Ich ließ eine Woche verstreichen, dann versuchte ich noch einmal, mit ihm zu reden. Schließlich ging es auch um die Zukunft der Molkerei, denn nachdem Raggio versucht hatte, mich in der Käsemolke zu ertränken, kam er nicht mehr zur Arbeit.
    Ich hoffte, ihn in einem der guten Momente zu erwischen, wo man auch mal vernünftig mit ihm reden konnte. Und genau in einem solchen traf ich ihn an. Er war ruhig, dabei immer mit seinem Stab in der Hand und der Krone auf dem Kopf. Am Anfang wollte er nichts von mir wissen, aber als ich darauf bestand, sah er mich an und sagte, dass das Kind natürlich von mir sein musste, denn er könne keine haben, sonst wären schon früher welche gekommen. Und am Ende wäre es ihm gar nicht wichtig gewesen, von wem es sei, es hätte nur am Leben bleiben müssen, denn dann hätte er auch seinen Königsnachfolger gehabt. Doch diese Hure hatte es in der Milch ertränkt, es dann zusammen mit ihr eingedickt und schließlich im Käse versteckt, und dafür verdiente sie es, doppelt zu sterben. Und auch ich verdiente zu sterben, und früher oder später, dreimal wiederholte er das, würde er mich mit seinem Stab erschlagen. Und bei diesen Worten hob er seinen Kornelkirschenast hoch und ließ ihn mehrmals vor

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