Im Taumel der Sehnsucht
praktisch jeder junge Geck in diesem Raum starrte sie an!
Verdammt! Er hatte einen Anspruch auf sie! Sie würde ihm gehören. Als er erkannte, wie stark sein Wunsch war, sie zu besitzen, sie ganz für sich allein zu haben, schüttelte er den Kopf. Ihre Wirkung auf ihn war erstaunlich. Er hatte sich schon seit Jahren in dieser affektierten Gesellschaft der Reichen und Adeligen nicht mehr wohl gefühlt. Alles hatte ihn gelangweilt, nichts konnte ihn mehr begeistern, doch plötzlich spürte er, wie sich eine Lebensfreude in ihm regte, von der er geglaubt hatte, sie sei mit seinem Vater und seinem Bruder gestorben.
Bradford hatte die Einladung zu diesem Ball nur deswegen angenommen, weil er darauf gehofft hatte, daß sie kommen würde. Den alljährlichen Ashford-Ball ließ sich niemand von Rang und Namen entgehen, und Bradford war davon ausgegangen, daß Carolines Vater da keine Ausnahme machen würde.
Sein brütender Blick jagte Caroline eine Hitze durch die Adern, die sie sich nicht erklären konnte. Sie spürte, wie ihre Wangen sich röteten, und ärgerte sich über ihre Verlegenheit. Wieso reagierte sie nur so unmöglich auf ihn? Er schüchterte sie ein und tat... noch etwas anderes mit ihr. Wenn sie sich nicht zusammenriß, dann würde sie gleich in albernes, nervöses Gekicher ausbrechen. Und wie, bitte schön, sollte sie das ihren Verwandten erklären?
Die Gedanken jagten durch ihren Kopf wie Windböen über das offene Feld, während sie ihn unverwandt anstarrte. Irgendwie gelang es ihr nicht, einen einzigen dieser Gedanken festzuhalten, um ihn zu Ende zu denken. Wenn ihr wenigstens eine Möglichkeit eingefallen wäre, wie sie den Bann, mit dem er sie belegt hatte, lösen konnte!
Ob er auch nur eine Ahnung davon hatte, wie er auf sie wirkte? Sie hoffte inständig, daß das nicht der Fall war. Ihre Hände bebten, und sie war wie betäubt. Gleichzeitig jedoch schienen ihre Sinne enorm geschärft und vollkommen überfordert. Ihr Geist schien den Begriff Vernunft nicht mehr zu kennen.
Carolines Nervosität wuchs. Dazu kam, daß sie befürchtete, in diesem Zustand etwas entsetzlich Unschickliches zu tun. Trotzig dachte sie, daß es ganz allein Bradfords Schuld sein würde, wenn ihr das passierte. Der Gedanke war allerdings wenig tröstend, denn plötzlich schoß ihr durch den Sinn, daß er ausgesprochen selbstzufrieden reagieren würde, wenn er sich dessen bewußt wäre. Ja, wenn sie sich vollkommen lächerlich machte und er auch nur ahnte, daß er der Grund dafür war, dann würde es ihn bestimmt bloß in seiner Arroganz bestätigen.
Mit schier übermenschlicher Kraft gelang es Caroline schließlich, sich zu konzentrieren. Sie zwang ihre Gesichtszüge zu einer Miene, die, wie sie hoffte, gelangweilt und emotionslos war - eine Miene, die die meisten Ladies in diesem Ballsaal zur Schau trugen. Doch dann stellte sie fest, daß es ihr nicht gelang, diesen Gesichtsausdruck beizubehalten. Sie war einfach noch nie ernsthaft gelangweilt gewesen; wie sollte sie also gelangweilt aussehen? Als sie diese Tatsache begriff, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
Bradford sah es und lächelte unwillkürlich zurück. Als er sich dabei ertappte, war er selbst überrascht. Er zeigte sonst so gut wie nie irgendwelche Gefühle in der Öffentlichkeit, doch nun benahm er sich wie ein junger Geck, der zum ersten Mal auf einem größeren Ball war.
Caroline versuchte, wenigstens ihre Würde zu wahren, und nickte ihm leicht zu, um ihm zu zeigen, daß sie sein Lächeln zur Kenntnis genommen hatte. Als sie schließlich begriff, daß er nicht als erster wegsehen würde, wollte sie sich wieder zu ihren Verwandten umdrehen. Doch da trat ein schelmischer Ausdruck in Bradfords Augen, und sie beobachtete wie gebannt, wie er ihr so langsam und übertrieben zuzwinkerte, daß diese Geste schon eindeutig zweideutig wirkte.
Caroline schüttelte den Kopfüber diese offene Provokation und versuchte, verärgert auszusehen, aber sie konnte sich das Lachen nicht verkneifen, womit sie die Wirkung vollkommen ruinierte. Bevor er sie erneut in seinen Bann ziehen konnte, wandte sie ihm rasch den Rücken zu. Sie kam sich plötzlich vor wie ein kleines Mädchen, das unter Aufsicht gestellt werden mußte. Sie holte tief Luft und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, das ihre Verwandten führten.
Der Earl und der Marquis debattieren gerade hitzig über die Frage, wem Caroline und Charity vorgestellt werden sollten und, noch wichtiger, wer die
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