Im Taumel der Sehnsucht
Doch nun mußte sie feststellen, daß ihr nicht nur die Stimme versagte - nein, sie hatte auch noch Schwierigkeiten, einen einzigen vernünftigen Gedanken zu fassen.
»Schockiert Sie meine Offenheit?« Bradford brach schließlich das Schweigen, und zu ihrem Erstaunen klang seine Stimme zärtlich. »Mich verunsichert es«, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu. »Und es ist gar nicht so einfach, das zuzugeben.«
Sein Blick war so heiß, daß er Wasser hätte zum Kochen bringen können. Caroline spürte jedenfalls, wie ihr warm wurde. Was sollte sie tun? Was sagen? Sie hatte keine Ahnung, auf welche Art und Weise sie reagieren sollte. »Es macht mich nervös, wenn Sie mich so ansehen«, gestand sie ihm schließlich. Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Ich warne Sie. Wenn ich nervös werde, muß ich oft schrecklich lachen, und dann sind Sie bestimmt beleidigt.«
»Caroline«, sagte Bradford weich. »Geben Sie einfach nur zu, daß etwas zwischen uns besteht.«
»Wir kennen uns doch gar nicht«, protestierte Caroline.
»Ich kenne Sie besser, als Sie glauben«, entgegnete Bradford. Als Caroline ungläubig die Augen aufriß, bekräftigte er seine Behauptung mit einem Nicken. »Sie sind loyal, vertrauenswürdig und übervoll mit Liebe für jene Menschen, die Ihnen nahestehen.« Aus ihrem Erröten entnahm er, daß er sie in Verlegenheit brachte, doch es kümmerte ihn nicht im geringsten. Er war entschlossen, sie dazu zu bringen, ihm ihre Gefühle einzugestehen. Das war im Augenblick alles, was zählte.
»Woher wollen Sie so etwas wissen?« fragte Caroline atemlos.
»Ich erkannte es an dem Tag, als ich Sie zum ersten Mal traf. Sie hatten damals Angst, doch es hat Sie nicht davon abgehalten, sich mir entgegenzustellen. Das einzige, was Sie im Sinn hatten, war, einen Fremden vor Gefahr zu schützen. Tapferkeit ist ein Charakterzug, den ich bewundere«, fügte er hinzu. Er lächelte nicht mehr, sondern fuhr ernst fort: »Als wir uns unterhielten, erzählten Sie mir von Ihrer Befürchtung, daß Sie etwas tun könnten, das Ihre Angehörigen in Verlegenheit brächte. Außerdem sprachen Sie von Ihrer Familie in den Kolonien, und Ihre Loyalität ihr gegenüber war nicht zu verkennen. Zu guter Letzt«, schloß er, »nannten Sie Ihre Tante Mama, und als Sie es taten, konnte man die tiefe Zuneigung, die Sie für sie empfinden, in Ihren Augen sehen.«
»Ein Hund ist auch loyal und vertrauenswürdig.«
Carolines Bemerkung entlockte Bradford ein widerwilliges Grinsen. »Eben, als wir tanzten, haben Sie in meinen Armen gezittert. Wollen Sie mir jetzt erzählen, daß Ihnen kalt war?« Sein neckender Tonfall nahm Caroline etwas von ihrer Anspannung, und sie erwiderte sein Lächeln. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr er fort: »Nun? Kommen Sie, seien Sie ehrlich mit mir!«
»Ehrlichkeit ist ein Charakterzug, den ich bewundere«, erwiderte Caroline. »Und wissen Sie warum? Weil diese Tugend mir nämlich vollkommen abgeht.« Sie seufzte und fuhr dann fort: »Sehen Sie, mein Wort ist nichts wert, und was ich sage, ist oft nicht ernst zu nehmen. Wenn ich also zugebe, daß zwischen uns ein besonderes Gefühl besteht, dann werden Sie niemals wissen, ob ich die Wahrheit sage oder nicht.«
Bradford grinste und schüttelte den Kopf. »Dann sollten wir irgend etwas tun, was uns einen Beweis liefern kann«, schlug er vor. Seine Augen funkelten vergnügt, und Caroline wußte, daß er ihr kein Wort von dem, was sie da eben gesagt hatte, glaubte. Sie hatte gelogen, und sie konnte ihn nicht an der Nase herumführen.
»Und wie genau soll dieser Beweis aussehen? Wie wollen Sie zweifelsfrei herausfinden, ob ich etwas für Sie empfinde oder nicht?« fragte Caroline. Sie hatte die Brauen konzentriert zusammengezogen, doch plötzlich blitzten ihre Augen auf, und Bradford ahnte, daß sie etwas im Schilde führte. Es war dasselbe Funkeln, das in ihre Augen getreten war, kurz bevor sie Brummell aufgezogen hatte. Er mußte sich eingestehen, daß er gespannt war, was sie sich hatte einfallen lassen.
»Nun, vielleicht gibt es da tatsächlich eine Möglichkeit«, fuhr sie fort. »Wie wäre es, wenn Sie vom Balkon springen? Wenn ich nicht entsetzt aufschreie, dann wissen Sie ohne Zweifel, daß mir Ihr Schicksal nicht sonderlich nahegeht.«
»Und wenn Sie doch Ihr Entsetzen äußern?« fragte Bradford glucksend.
»Tja, dann können Sie sicher sein, daß es mich tatsächlich kümmert, was Sie tun. Zwar hätten Sie dann jeden Knochen in ihrem Leib
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