Im Taumel der Sehnsucht
sich um die Kutsche versammelt hatten, zu dem Schluß kamen, sie könnte sich fürchten. Vielleicht brachte sie das erst recht auf dumme Ideen.
»Der Mischief Maker«, las Caroline laut das Schild über dem Eingang der Taverne vor. »Komischer Name. Erwartet man hier von uns, daß wir hineingehen und Zwietracht säen?« Ihr Versuch zu scherzen mißlang. Ihre Stimme kippte, und ihre Beine knickten leicht ein.
Milford begriff, daß sie mit Verzögerung auf den Unfall reagierte. Er hielt sie fest, drückte herzlich ihre Schulter und grinste sie breit an. Schließlich öffnete er die Tür für sie.
»Lady Caroline«, sagte er aufgesetzt förmlich. »Ich habe die Ehre, Sie in einen kribbelnden Zeitvertreib der Oberschicht einzuführen. Besuchen Sie die Slums von London, wo es so richtig schön realistisch zugeht. Nun? Freuen Sie sich auf ihre erste Lektion?« Er grinste wieder sein Spitzbuben-Grinsen, das Caroline so sehr mochte.
»Und wie«, erwiderte sie, ebenfalls lächelnd. Sie trat in den verqualmten Schankraum und fühlte sich auf der Stelle vollkommen fehl am Platz. Ihr kostbares Kleid und der perlverbrämte Umhang bildeten einen unübersehbaren Kontrast zu dem Grau und Braun der groben Arbeiterkleider.
Es war nicht besonders voll in der Taverne. Caroline schätzte die Anzahl der Männer, die sie angafften, auf etwa fünfzehn. Milford schob sie vorwärts, bis sie an einem Ende des Tresens stehenblieben. Er drängte sie mit sanfter Gewalt in die Ecke und stellte sich dann vor sie. Anscheinend versuchte er, sie so gut wie möglich vor den Blicken der Gäste zu schützen.
Der Inhaber des unattraktiven Etablissements hatte offenbar genug gestarrt und kam nun zu ihnen, um ihre Bestellung aufzunehmen. Milford erklärte ihm, daß zwei Brandy eine feine Sache wären, und da er in derart guter Stimmung war, würde er eine Lokalrunde ausgeben.
Das Schweigen, das sich über den Raum gelegt hatte, als sie eingetreten waren, war enervierend gewesen. Doch als Milford nun Drinks für alle bestellte, erhob sich ein lautes Gebrüll nach Ale und Whiskey.
»Das war sehr klug von Ihnen«, bemerkte Caroline mit leichter Ironie. »Sie haben sich potentielle Feinde im Handumdrehen zu Freunden gemacht. Das ist ein echtes Talent. Ich muß sie beglückwünschen.« Milford nickte leicht, drehte sich aber nicht zu ihr um. Er hatte zwar seine Pistole wieder in die Tasche gesteckt, doch seine Haltung verriet, daß er sich mitnichten sicher fühlte.
»Es tut mir fast leid«, erwiderte Milford mit einem Lachen in der Stimme. »Himmel, es ist Jahre her, seit ich eine anständige Schlägerei gehabt habe.«
Caroline lächelte, doch das Lächeln schwand, als plötzlich die Tür aufflog und eine Truppe von vier grobschlächtigen Kerlen hereingepoltert kam. »Tja, vielleicht geht ihr Wunsch ja doch noch in Erfüllung«, flüsterte sie, als die vier zu ihnen herüberstarrten.
Ein Raunen ging durch den Raum, als einer der Männer, ein sehr großer Dicker, der wirkte, als hätte er sich seit einer Dekade nicht mehr gewaschen, sich in Bewegung setzte und langsam auf sie zukam.
»Zeig mir doch mal das Püppchen, das du da hinter dir versteckst«, verlangte der Mann. Er streckte den Arm aus, um Milford zur Seite zu schieben, aber dieser blieb unbeirrt stehen.
»Sie rühren sich nicht vom Fleck«, befahl Milford ihr mit einem resignierten Seufzen. Und dann ging es ohne Verzögerung los. Milfords Faust krachte gegen den Kiefer des Dicken, und dieser taumelte zurück. Schon waren die anderen drei zur Stelle.
Der Inhaber der Taverne nutzte die Chance. Er packte Caroline am Haar und versuchte, sie um die Theke herum zu sich zu ziehen. Caroline schrie auf, und bereute es augenblicklich, denn ihr Schrei ließ Milford herumfahren.
»Ich schaff' das schon! Passen Sie auf sich selbst auf«, brüllte Caroline, während sie nach einer vollen Whiskeyflasche auf dem Tresen griff, ausholte und zuschlug. Der widerliche Besitzer der Taverne sackte zusammen und plumpste stöhnend auf den Boden. Caroline stürzte hinter die Bar. Gewiß konnte Milford ein wenig Hilfe gebrauchen! Sie griff nach den Flaschen im Regal und begann, eine nach der anderen auf die Kerle zu schleudern, die ihn überwältigen wollte.
Ihre Zielgenauigkeit war allerdings ein wenig beeinträchtigt, und ein Mann schaffte es bis zur Theke und halb darüber, bis es ihr gelang, ihn mit einem anständigen Schlag über den Schädel aufzuhalten. Mit einem lauten Stöhnen blieb er über dem Tresen
Weitere Kostenlose Bücher