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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Angst und Kleinmut im Reich des Canek aus. Dann aber ereilte den Canek eine Vision: Die Götter würden einen Abgesandten schicken, der den Maya von Tayasal helfen sollte, ihren Pflichten nachzukommen und binnen eines Tun, eines einzigen Sonnenjahrs, eine neue Stadt zu erbauen, mit prachtvollen Tempeln und Pyramiden.
    Der Priester Cha'acs unterbrach sich, mit einem Blick zum Himmel, der sich, über dem grünen Gewirr weniger zu sehen als zu erahnen, mit finsteren Wolken überzog. Er wandte sich zu den jungen Priestern um, mit gebieterischer Geste. Sofort liefen vier von ihnen nach hinten und kehrten gleich mit einer gewaltigen Matte zurück, an deren Ecken mannshohe Stangen befestigt waren. Jeder von ihnen reckte eine der Stangen in die Höhe, und als die ersten Güsse herniederrauschten, war der geflochtene Baldachin bereits über Ja'much und Robert ausgespannt, die nahezu trocken durch den tosenden Regen schritten. Robert hätte es allerdings vorgezogen, durchnäßt zu werden. Ohnehin trug er nichts am Leib als den Fetzen um seine Lenden, und es wäre eine willkommene Gelegenheit gewesen, das Opferblut von seiner Haut zu spülen. Doch zugleich erfüllte es ihn mit seltsamer Befriedigung, daß Ja'much so sorgfältige Vorkehrungen getroffen hatte.
    »Nicht lange nach dieser Propheze iung«, fuhr der alte Priester fort, während vor ihnen die Tropfen wie Gewehrsalven in den Pfützen explodierten, »erschienst du in Tayasal, Abgesandter der Götter, und der Rat der obersten Priester nahm dich ehrenvoll auf, entzückt und erleichtert, daß die Götter den prophezeiten Beistand rechtzeitig ausgesandt hatten.«
    Wie im Traum schritt Robert neben ihm dahin. Der Regen rauschte hinab, mit metallischem Singen, und Wasserdampf stieg ringsum aus dem Dickicht auf, so dicht und wallend, daß alle Konturen und Grenzen zu verschwimmen schienen. »Und ich«, fragte er, »sollte ihnen helfen, die neue Stadt zu errichten - aber wie denn?«
    Wieder warf Ja'much ihm, unter verstrüppten Brauen, einen argwöhnischen Blick zu. Schließlich hätten die Götter ihn ausgesandt, sagte er dann mit erhobener Stimme, denn die Tropfen trommelten auf die Matte über ihren Köpfen. Für ein Wesen, das an der göttlichen Kraft teilhabe, sei nichts unmöglich. So habe ein zauberischer Zwerg die gewaltige Stadt Uxmal binnen einer Nacht mit magischer Kraft errichtet, an einem Ort, der noch am Abend vollkommen unwegsam, vom Dschungel klafterhoch überwuchert gewesen sei. »Du aber verstießest gegen deinen göttlichen Auftrag«, fuhr der alte Priester fort, »verleitet von jener Ixkukul, oberste Priesterin der Mondgöttin Ixquics, die dir einflüsterte, daß deine Mission in Wahrheit eine ganz andere sei: die Maya von Tayasal in das göttliche Geheimnis einzuweihen, das sie schon einmal gekannt hatten und das ihnen strafweise wieder verborgen worden war, da sie Mißbrauch damit getrieben hatten.«
    »Was für ein Geheimnis war das?« fragte Robert, der Mühe hatte, sich auf Ja'muchs Ausführungen zu konzentrieren, so bedrängend sah er auf einmal wieder die schöne India vor sich, als schwebte sie dort über dem Buschwerk, in den Nebeln, zum Greifen nah.
    »Ihr nanntet es die Formel der Wiederkehr, du und Ixkukul, oder auch die Mathematik der Götter.« Ja' muchs Stimme nahm einen grollenden, nahezu bellenden Beiklang an. »In uralten, vergessenen Büchern, die einen halben Baktun lang unter der Bücherpyramide von Tayasal vergraben waren, fandet ihr tatsächlich jene Botschaft der Götter wieder. Eine Formel, die es den Sterblichen erlaubt, den Tag ihrer Wiederkehr in die Menschenwelt zu errechnen und sogar die Gestalt zu bestimmen, in der sie sich wiederverkörpern werden.«
    »Und diese Formel«, fragte Robert in tiefem Erstaunen, »sie hat sich tatsächlich bewährt?«
    Unverändert rauschte der Regen hernieder. Inzwischen war es so neblig geworden, daß man kaum zwei Schritte weit sehen konnt e und selbst die Gestalt des alten Priesters, der neben ihm durch Pfützen und Schlamm dahinschritt, von einem wallenden Schleier umgeben war.
    Ja'much schien mit seiner Antwort einen Moment zu zögern.
    »Es sah sehr danach aus«, sagte er dann. »Ixkukul hatte einen Zwillingsbruder namens Chacbalam, der den Göttern geopfert worden war. Damals gelang es dir, Ajb'isäj-ju'um d'ojis, mit Hilfe der göttlichen Formel Chacbalams Seele zum vorbestimmten Datum wiederzuverkörpern, im Leib eines Fischers namens Äjsat.«
    So ganz und gar phantastisch diese

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