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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Frage ein, die ihn seit Tagen immer wieder beschäftigte. »Eines noch«, sagte er zu Stephen, der ihn mit abwesendem Blick ansah und noch immer fassungslos schien. »Gestern hast du von schlechten Nachrichten gesprochen, im Zusammenhang mit den Soldaten, die uns bis Victoria Camp verfolgt haben. Was hast du damit gemeint?«
    »Oh, das«, sagte Stephen, und ein rasches Grinsen flog über sein Gesicht. »Als Miriam und ich unweit der Pyramide von... deinen wilden Freunden überrumpelt wurden, da waren wir nicht allein.«
    »Nicht allein?«
    »Alles andere als allein«, sagte Stephen, dessen Miene schon wieder anmaßend geworden war, seine Stimme dröhnend vor Selbstgewißheit. »Die Soldaten überrumpelten uns im Schlaf, drei Meilen vor dem Affendorf. Im Nu hatten sie uns überwältigt, sieben Mann, alle hoch zu Pferd, aber noch während sie uns verhörten, sprang eine ganze Horde nackter Wilder unter ohrenbetäubendem Gebrüll aus den Bäumen. Es hage lte nur so Pfeile, Speere und Steine, die Soldaten schossen wie verrückt um sich, und Miriam und ich gingen zu Boden,
    beide von Steinen getroffen. Als wir wieder zu uns kamen, waren wir an Händen und Füßen gefesselt, und neben uns lagen drei Uniformierte Ihrer Majestät im Gras, der Leutnant, der das Fähnlein anführte, und zwei gemeine Soldaten, alle drei mausetot. Den anderen vier Soldaten aber war die Flucht gelungen, soviel konnte ich aus dem Geschrei der Krieger heraushören.«
    Noch während Stephen dies sagte, löste sich eine schmale Gestalt aus dem Schatten am Waldrand, wo sie in einer Gruppe von Jaguarkriegern gewartet hatte, und lief auf Robert Thompson zu. »Verzeiht mir, lieber Herr... wie froh bin ich, wieder bei euch zu sein!« Der Bursche warf sich vor ihm auf die Knie. »Als die Soldaten uns überfielen... und dann auch noch die Indios kamen... ich floh in den Wald... aber zwei Soldaten folgten mir... sie verlangten, daß ich sie zu Ihnen bringe, Sir... Doch ich führte sie in die Irre, Stunde um Stunde... bis mir endlich die Flucht gelang... und da bin ich, lieber Herr!«
    »Wohl getan, Henry«, sagte Robert, indem er seinem jungen Diener erst ungläubig, dann mit einem sich langsam verbreiternden Lächeln ins Gesicht sah. Eine lebhafte Freude stieg in ihm auf, er war nahe daran, den Burschen an sich zu ziehen und auf die runden Wangen zu küssen. Was ist nur los mit mir, dachte er, niemals zuvor hatte er ähnliche Neigungen in sich verspürt. Verwirrt ließ er seine Hand sinken und wandte seinen Blick von dem Pferdeburschen ab, der unverändert vor ihm im Gras kniete. Jedoch kam er nicht dazu, länger über die Wirrsal seines Herzens nachzusinnen, da Stephen ihn rauh bei der Schulter packte.
    »Mord an drei britischen Soldaten, mein Junge, weißt du, was das heißt?« Er sah Robert voll grimmiger Zufriedenheit an, mit gerunzelter Stirn, und für einen Moment fletschte er sogar die Zähne. »Sie werden zurückkehren, zum Donner, und dann nicht mehr nur zu viert oder siebt, du grandioser Götterbote, sondern mit einer ganzen, bis an die Zähne bewaffneten Armee.«

6
     
     
    Kaum eine halbe Meile südlich der Stätte des Jaguargottes hatte sich ihr Pfad auf einmal verbreitert, und seither zogen sie auf einem drei Schritte weiten Weg dahin, zwischen undurchdringlichem Dickicht, unter einem Dach verflochtener Äste und Lianen. Doch der Weg war beinahe so eben wie die Straßen von England, dachte Robert, der einmal sogar einen zerbröckelnden Steinbelag unter ihren Füßen auszumachen glaubte, eine ehemals glatte grauweiße Fläche, stuckartig und weithin von Laub und Zweigen bedeckt.
    Die Gefährten ritten auf den Pferden am Schluß ihrer Kolonne, von ihm aber wurde erwartet, daß er an der Seite von Ja'much den Zug anführte, »zu Fuß schreitend wie die Götter«. Einen halben Schritt hinter ihm gingen Henry und Mabo, die unablässig übersetzen mußten, von der Sprache der Maya ins Englische und zuweilen auch umgekehrt. Die meiste Zeit aber sprach der alte Priester, während Robert zuhörte und nur ab und an eine Frage einwarf.
    Vor wenigen Stunden erst hatten sie das Heiligtum des Jaguargottes verlassen, doch mit jeder Stunde hatte sich seither ihr Zug vergrößert. Unmittelbar hinter Robert, Ja'much und den beiden Dienern schritten die fünf jungen Regengottpriester, in grauen Gewändern, mit düsteren Mienen und meist ehrerbietig schweigend. Ihnen folgten mit federnden Schritten, in phantastischer Bemalung, neun Jaguarpriester, mitgesandt vom

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