Im Tempel des Regengottes
ich wirklich nicht...«
»Wie weise von ihm«, warf Miriam ein, mit einem spöttischen Lächeln, das Robert ebenso gelten konnte wie Stephen.
»Du kannst nicht?« Stephen atmete schnaubend aus, durch seine gefletschten Zähne, daß der Schaum nur so sprühte. »Du meinst wohl, du willst uns nicht verraten, was auf diesem dreimal verfluchten Schatzplan steht? Und willst dich statt dessen allein aus dem Staub machen, zum Donner, unsere Gold- und Silberklumpen im Sack?«
Stephen kam nicht einmal auf die Idee, daß er sich aus Unvermögen weigern könnte, dachte Robert, der in diesem Moment zwei Hände spürte, die seine Kehle umklammerten, und einen massigen, nach Schweiß und Habgier stinkenden Körper, der sich auf ihn warf und ihn rücklings zu Boden drückte. Japsend versuchte er um Hilfe zu rufen, doch nur ein Röcheln drang aus seinem Mund, übertönt von Stephens unablässigem Brüllen. Stephen hockte auf seiner Brust, ein monströser, gelb bepelzter Alp, eisern hielt er seine Kehle umklammert und schüttelte ihn hin und her.
Vor Roberts Augen begannen blutrote Lichter zu kreisen. Die Sinne wollten ihm schon schwinden, als ein halbes Dutzend grau gewandeter Wächter in ihr Gewölbe stürzten. Sie rissen Stephen zurück, so gewaltsam, daß er fast bis zum Türloch geschleudert wurde. Eine Hand streckte sich Robert entgegen, er ergriff sie und ließ sich keuchend auf die Beine ziehen.
»Bitte folge mir, Ajb'isäj-ju'um d'ojis.« Ja' much deutete eine Verbeugung an, die Hände vor seiner Stirn zusammengelegt.
Während Robert sich noch die schmerzende Kehle rieb, wies der alte Priester Henry und Ajkech an, den Boten der Götter zu stützen. Dann führte er sie mit ehrerbietigen Gebärden hinaus auf den Gang und die steile Treppe empor, dem Sonnenlicht entgegen, während die Gefährten zeternd und wehklagend im Kerker zurückblieben.
ZEHN
1
Vielleicht bin ich ja krank, dachte Robert, indem er sich die letzten Stufen der schier endlosen Treppe hinaufschleppte - ernsthaft krank? Er ließ die Schultern seiner Helfer los und trat aus dem Treppenschacht hinaus, auf eine weite, gemauerte Terrasse. Undeutlich erkannte er, daß sie sich in gewaltiger Höhe befanden, die Terrasse mußte hundert Fuß oder mehr über der Stadt liegen, und doch war es noch immer nicht der First des riesigen Palastes, denn zu ihrer Rechten stieg die schlammbedeckte Fassade unabsehbar weiter an. Nach der Düsternis im Innern der Ka'ana stach ihm das Sonnenlicht schmerzhaft in die Augen, und die feuchte Hitze des späten Vormittags wickelte sich wie ein Pressverband um seinen Kopf. Ohne sich um Ja'much zu bekümmern, ging Robert, die Hände vor sein Gesicht erhoben und zwischen den Fingern hindurchspähend, einige Schritte nach rechts, wo er auf einer Steinbank im Schatten niedersank.
Sumpffieber, dachte er vage, oder eines der vielen anderen Schrecknisse, von denen Stephens und Catherwood auf ihren Reisen befallen worden waren. In Uxmal war der Maler einmal so furchtbar von Moskitos zerstochen worden, daß er vor den Augen seiner Begleiter ohnmächtig umgefallen war, seine Palette mit sich reißend. Ein anderes Mal war sein Gefährte John Lloyd von bräunlichen, nach Kloake stinkenden Käfern auserwählt worden, die ihre Eier in seine offene Fußwunde legten, was eine brandige, wimmelnde Entzündung hervorrief, bei deren Anblick selbst Catherwood flau zumute wurde. Aber zu keinem dieser Übel, dachte Robert dann, paßten die Anzeichen, die ihn selbst mehr und mehr plagten, der furchtbare Kopfschmerz, seine Mattigkeit oder auch die trübselige Stimmung, die ihn seit der letzten Nacht umfing.
Noch immer hielt er die Hände vors Gesicht gedrückt und spähte nur zwischen den gespreizten Fingern umher. Der Schmerz unter seiner Schädeldecke war kaum mehr zu ertragen, ein krampfartiges Pulsieren, als würde sein Gehirn in kurzen Abständen wie ein Schwamm zusammengedrückt. Was immer er in den Blick faßte, schien von einer Aura aus tänzelnden Lichtzungen umgeben, das schädelgroße Loch im Steinboden vor ihm, seine eigenen Füße und sogar die Umrisse Ja' muchs, der einige Schritte rechts von ihm stand und aufmerksam auf die Stadt hinabzublicken schien.
Auf einmal fiel Robert sein Vetter Arthur ein, ein Cousin dritten Grades, der Vor Jahren aus heiterem Himmel an der Fallsucht erkrankt war. Auch in den Generationen davor hatte es in ihrer Familie hier und dort Fälle von »schäumendem Idiotismus« gegeben, wie die Krankheit in einer
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