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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Schwäche.« Ixnaay war so rasch wieder auf ihren Beinen, daß es beinahe wie eine Augentäuschung wirkte: Sie war zu Boden gesunken und hatte sich fast im selben Moment mit einer fließenden Bewegung wieder erhoben.
    Ehe Helen auch nur vom Altar hinabgleiten konnte, ließ sich die India bereits neben ihr auf dem Rand des Mondsteins nieder.
    »Es ist gar nichts«, wiederholte sie, dabei jedoch sichtlich erschauernd, wie unter einem frostigen Hauch. »Laß mich nach deinem Fuß sehen, Schwester, ob die Heilung gut vorangeht.« Sie hob Helens linkes Bein auf ihren Schoß, und da fuhr Helen neuerlich zusammen: Ixnaays Hände waren, selbst durch den Stoff ihrer Burschenhose, kalt wie Gliedmaßen aus Stein.
    Mit geübten Bewegungen prüfte Ixnaay die Wunde und wickelte den Verband sorgsam wieder um Helens Fuß. »Du hast Glück gehabt«, sagte sie, »der Stein hat den Knöchel nur gestreift. Wärst du unter die Stele geraten...«
    »Danke für dein Mitgefühl«, fiel ihr Helen ins Wort. »Du brauchst es mir nicht zu erklären: Ich wäre zu einem Brei zerquetscht worden, wie das unschuldige Pferd.« Mit einer heftigen Bewegung entzog sie Ixnaay ihren Fuß und rückte ein Stück von der anderen ab. Für einen Moment sah sie noch einmal vor sich, wie die Stele mit Mr. Thompson auf den Rücken des Wallachs herabgedonnert war, den Pferdeleib zu einem grausigen Ragout zermalmend, einer Fontäne aus Blut und Fleischbrocken, aus Fellfetzen und todeswehen Schreien, von der sie über und über bespritzt worden war. Neuerlich begann in ihr der Zorn zu brodeln, eine jahrezehntelang zurückgehaltene Bitterkeit. »Aber um dein Ziel zu erreichen«, setzte sie hinzu,
    »hättest du auch Mr. Thompsons Tod - meinen sowieso - in Kauf genommen, oder? Was bedeuten schließlich eine Handvoll Tote, ein paar gebrochene Rücken oder Herzen, wenn man durch diesen Einsatz einen ganzen Krieg verhindern kann - so denkst du doch, Ixnaay?«
    Sie sah die Ältere von der Seite an, doch der Blick Ixnaays, die ihre Arme wie fröstelnd vor der Brust verschränkt hatte, ging an Helen vorbei.
    »Und Mr. Sutherland - ihr habt ihn erpreßt, seit damals, als ihr mich zu ihm brachtet?« Ihre Stimme wurde brüchig, mit Gewalt drängte sie in den Klumpen in ihrer Kehle zurück. »Ihr habt ihm gedroht, seine ›Verirrung in der Wildnis‹ auszuplaudern, und nur deshalb war er bereit, mich in seinem Haus aufzunehmen - so war es doch?«
    Nun konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten, aus nassen Augen sah sie Ixnaay an. Doch die India schwieg noch immer, mit geistesabwesender Miene sah sie zu der entfernten Säule, hinter der sich die Treppe hinauf zum Flußufer befand.
    »Natürlich war es so«, beantwortete Helen ihre eigene Frage.
    »Warum sonst hätte Mr. Sutherland mich bei sich aufnehmen sollen - das schmutzige kleine Mischlingsmädchen aus dem Wald, die ungewollte Frucht seiner schändlichen Verirrung? Und warum sonst hättet ihr, die Frauen von Lomxitil, es bei dieser halbherzigen, lügenhaften Barmherzigkeit belassen, anstatt Mr. Sutherland zu zwingen, mich als seine rechtmäßige Tochter anzuerkennen?« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und zog schniefend die Nase hoch, wie es die Küchenmädchen in Sutherland House zu tun pflegten, wenn Mama Doro nicht in der Nähe war. »Natürlich hättet ihr ihn dazu zwingen können«, fuhr sie fort, »aber für euch war es wichtiger, Mr. Sutherland zu erpressen, damit er euch geheime Informationen aus dem White House verschaffte: alles für die gerechte Sache, zur Verhinderung von Blutvergießen und Krieg! Denn einen Mr. Sutherland, der sich zu seiner Verirrung bekannt hätte, der mit sich selbst und mit mir ins reine gekommen wäre, den hättet ihr ja nicht mehr erpressen können: Er hätte über euch gelacht!« Helen schrie es Ixnaay ins Gesicht, unter Tränen, die ihr nun unaufhaltsam über die Wangen liefen. »So antworte mir endlich: War es so?«
    Unter Helens Schreien und Schluchzern schien Ixnaay zumindest kurzzeitig aus der Starre zu erwachen, die sie mehr und mehr umfangen hielt. »An deiner Stelle«, sagte sie mit tonloser Stimme, »würde ich es wohl ähnlich sehen. Und doch konnten wir nicht anders handeln.« Sie erhob sich vom Altarstein, und abermals schien sie ein Schauer zu überlaufen.
    »Uns bleibt nur wenig Zeit, Helen«, sagte sie, »darum höre mich nun bitte an, ohne mir noch einmal ins Wort zu fallen.«
    Die Arme noch immer vor der Brust verschränkt, mit den Händen

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