Im Tempel des Regengottes
auf die Schulter legte. »Noch vor dem Mittagsläuten wäre es mit dir aus und vorbei gewesen, wenn Stephen nicht auf den einen Affen gefeuert hätte und wir dir in der folgenden Verwirrung zur Flucht verholfen hätten.«
»Aber was wollten sie denn gerade von mir?« rief Robert aus.
»Ich bin erst vor vier Wochen in der Kolonie eingetroffen, und diese Männer habe ich nie zuvor gesehen!«
»Da war der Uralte anderer Ansicht.« Paul nahm die Hand von Roberts Schulter und boxte ihm spielerisch gegen den Oberarm. »Ehe sie auf dich losgingen, hat er seinen Kumpanen in ihrem Kauderwelsch zugeraunt, daß er dich genau erkannt habe - ›den hageren Mann mit dem Wuchs einer Vogelscheuche‹.«
»Erkannt?« echote Robert, der nun gar nichts mehr begriff. Paul nickte mehrfach, langsam und mit dem ganzen Oberkörper schwingend, und in plötzlicher Ernüchterung sah Robert, wie seine Mundwinkel unter den fuchsroten Schnurrbartspitzen zuckten. »Nach der Überzeugung des alten Zauberaffen«, verkündete er, »ist Robert Thompson nichts Geringeres als ›der wiedergeborene Vernichter des heiligen Königreichs Tayasal‹.«
2
Keine fünf Minuten darauf hatten Stephen und der Kutscher die Pferde ausgeschirrt und an den dschungelseitigen Rand des Fahrwegs geführt, so weit wie möglich von der Schlucht entfernt. Nach der stundenlangen Jagd durch drückende Hitze schienen die Tiere nicht weniger erschöpft als die drei Reisenden, der Kutscher aber wirkte so frisch, als wäre er eben einem kühlen Bad entstiegen. Es war ein junger, kaum zwanzigjähriger Mestize, ein schmaler Bursche, bunt gekleidet, mit verschlossener Miene und einer Haut so braun wie Milchkakao. »Unser Diener Mabo«, wie Climpsey erklärte,
»spanischer Halbaffe oder äffischer Halbspanier, je nachdem, wie man es ansieht. Und natürlich ein getaufter Christ.«
Mabo war auf der Baumseite bei den Pferden geblieben, die nervös mit den Augen rollten und die Köpfe hin-und herwarfen. Dennoch schien er Climpseys Worte gehört zu haben, denn Robert sah, wie die schmale braune Hand, die einen Pferdehals tätschelte, für einen Moment erstarrte.
Wie gemein Paul sein konnte, dachte Robert, und was für ein seltsamer Name das war: Mabo. Neben Pauls und Stephens Diener stand sein eigener Bursche, der junge Henry, das kühn geschlungene Tuch wie vorher auf dem Kopf, dennoch drückten seine Haltung und Miene weniger Verwegenheit als Anspannung aus. Gern hätte Robert mit den Gehilfen ein paar Worte gewechselt, doch er wagte es nicht, Paul und Stephen bei der Kutsche stehenzulassen und unter ihren Augen hinüber zu Mabo und Henry zu gehen.
Ohnehin hatten die beiden Gefährten seinen Diener vorhin argwöhnisch gemustert, es schien ihnen wenig zu behagen, daß auch er, Robert, einen Verbündeten gewonnen hatte. »Zum Donner, ein Maul mehr, das wir stopfen müssen!« Doch zu seiner Erleichterung hatten Paul und Stephen nicht verlangt, daß er sich von seinem kleinen Gehilfen trennte, der ihm in buchstäblich letzter Minute auf so wundersame Weise zugeflogen war. Nicht mehr lange, dachte er, dann haben die Gefährten sich auch an die Gegenwart des jungen Henry gewöhnt.
Um sie bis dahin möglichst nicht zu reizen, verharrte Robert im Schatten des Kutschkastens und begnügte sich damit, die beiden Mestizen aus einiger Entfernung zu beobachten. Mabo war von dunklerer Hautfarbe und einen halben Kopf größer als Henry. Er wirkte männlicher und merklich älter, obwohl auch er fast noch ein Jüngling war. Jede seiner Gesten verriet ruhige Sicherheit, dagegen wirkten Henrys Bewegungen unbeholfen und fahrig. Vielleicht war es ein Fehler, dachte Robert, den Jungen ohne weitere Prüfung anzuheuern: Herr und Diener, mit Pferden und Fährnissen gleichermaßen unvertraut, das mochte ein übles Ende nehmen. Aber nun war es für jeden Wechsel zu spät.
Seine Gedanken schweiften aufs neue zurück zu den drei Maya im Park des Gouverneurs. Vorhin war er über Pauls Worte erschrocken, nun aber schien es ihm ganz abwegig, daß der Uralte erklärt haben sollte, er habe ihn, Robert als »wiedergeborenen Vernichter von Tayasal« erkannt. Paul mußte sich verhört haben, falls seine Behauptung überhaupt ernst gemeint und nicht einmal mehr nur seiner Spottlust zuzuschreiben war. So oder so waren es unbegreifliche Worte, die den Zusammenstoß im Park des Gouverneurs keineswegs erklären konnten, im Gegenteil, sie vermehrten nur den Nebel, der über dem gräßlichen Geschehnis lag.
Auf
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