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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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spürte er ein Jubeln, das nur vorläufig von Erschöpfung und Schmerzen noch überdeckt wurde, ein stetig anwachsendes Triumphgefühl. Er befand sich mitten im ungeheuerlichsten Abenteuer seines Lebens, wie er sich sagte, und erstaunlicherweise hatte er die erste Etappe tatsächlich überstanden. Und er spürte, daß es letzten Endes eine stärkende Erfahrung sein würde, auch wenn er sich im Augenblick vollkommen entkräftet fühlte.
    Sein Blick schweifte zu Mabo, der nun einige Schritte nach links ging, die Futtersäcke über die Schulter geworfen. Mit gespitzten Lippen, aus denen melodisches Summen drang, rief er die Pferde herbei, die alle sechs bereitwillig zu ihm trotteten. Er hängte ihnen die Hafersäcke um und führte sie etliche weitere Schritte abseits, wo ein gutes Dutzend schädelgroßer Steintrümmer einen Kreis im Gras beschrieben, mit einer steinernen Mulde in der Mitte, in der sich Regenwasser gesammelt hatte. Sogleich begannen die Pferde zu fressen und zu saufen, und Robert dachte, daß dieser Steinkreis, wozu immer er einmal gedient haben mochte, gewiß nicht natürlichen Ursprungs war. Und dann sagte er sich, daß er ohne Mabos Hilfe niemals lebend hier angekommen wäre, sondern in einer Schlucht zu Tode gestürzt oder in einem Sumpfloch elend versunken oder einfach kraftlos im Unterholz liegengeblieben wäre, eine sichere Beute für Jaguare. Dagegen war ihm sein eigener Diener, wie befürchtet, bislang kaum eine Hilfe gewesen: Die meiste Zeit war Henry ein halbes Hundert Schritte hinter ihnen geritten, anscheinend zur Genüge damit beschäftigt, sich im Sattel seiner Schecke zu behaupten. Als Robert sich einmal, nach einem Sturz von seinem ungebärdigen Wallach, auf Henrys Schultern gestützt hatte, war der Bursche unter seiner Berührung regelrecht zusammengefahren, schreckhaft wie ein junges Mädchen.
    Am furchtbarsten war die erste halbe Meile gewesen, durch eine Röhre aus Laub und Dickicht, bei weiterhin peitschendem Rege n, steil bergan auf dem Knüppelpfad, der kaum zwei Fuß breit und mit glitschigem Moos bedeckt war. Robert hatte seinen Wallach hinter Mabo hergetrieben, mit Fußstößen und anfeuernden Rufen, aber das Pferd hatte sich nach wenigen Dutzend Schritten zu sträuben begonnen, zwischen Dornengestrüpp und Bananenstauden, da es auf den modrigen Holzknüppeln keinen Halt fand. Und als er ihm noch verzweifelter seine Absätze in die Seiten hieb, da bäumte sich der Wallach auf, stieß ein furchtbares Wiehern aus und begann sich zu Roberts Entsetzen auf dem engen, rutschigen, beinahe lotrecht ansteigenden Pfad schnaubend im Kreis zu drehen.
    Ohne Mabo wäre er bereits auf diesen ersten hundert Fuß des Knüppelpfades zu Tode gestürzt, dachte Robert, und noch immer schien es ihm unbegreiflich, wie der Mestize, der schon ein halbes Dutzend Pferdelängen voraus war, ihm überhaupt zu Hilfe eilen konnte. Als hätte er sein Pferd in dem verzweifelt schmalen Tunnel aus Busch-und Laubwerk gleich zweimal gewendet oder es rückwärts hinabgelenkt, was beides gleich unmöglich schien, befand sich Mabo auf einmal unmittelbar vor ihm, so nahe, daß er, sich auf seiner Schecke zurückbiegend, mit der linken Hand die Nüstern des stampfenden Wallachs berührte. Augenblicklich wurde das Pferd ruhiger. Es schnaubte noch immer, es tänzelte und drohte auszubrechen, aber es drehte sich nicht mehr wie rasend im Kreis, so daß sein unglücklicher Reiter von Bananenblättern gepeitscht, von Dornen zerkratzt, gegen Baumstämme gequetscht und nach vorn und hinten gerissen wurde wie eine Marionette an den Fäden eines fallsüchtigen Puppenspielers. Aber die Beruhigung hielt nicht lange vor, denn sowie Mabo seine Hand zurückzog, begann der Wallach sich wieder aufzubäumen, stieß sein schauerliches Wiehern aus und machte neuerlich Anstalten, sich im Kreis zu drehen.
    Da bog sich der Mestize auf seiner Schecke noch weiter zurück und drehte sich zugleich, als hätte er keine Knochen im Leib, in der Hüfte so weit herum, daß er mit der Brust auf dem hinter ihm aufgepackten Seesack zu liegen kam, während sein Unterleib weiterhin vorn auf der Schecke saß und das Tier mit Schenkeln und Füßen antrieb. So lag er zurückgebogen und verdreht auf seinem Pferd, die Augen vor Anstrengung zusammengekniffen, und streckte die Linke so weit wie möglich nach hinten, den Nüstern von Roberts Wallach entgegen, der wie magnetisiert hinter der kleinen braunen Hand herstolperte, seine Kopfscheu vergessend, den

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