Im Tempel des Regengottes
lauter geworden, ebenso wie das Crescendo der Vögel, das tausendstimmige Kreischen des Dschungels, und auf einmal verspürte Robert den überwältigenden Drang, in dieses Kreischen einzustimmen, im Schrei der Wildnis zu erlöschen, unterzugehen.
Doch auch dieser Moment verging. Paul warf seine Waffe über die Schulter, mit der Rechten zog er Mabo vom Boden hoch, mit der Linken packte er Robert bei der Schulter und stieß ihn auf das riesige Floß zu, auf dem Stephen eben die Pferde anpflockte. Vom Camp her waren jetzt laute Rufe zu hören und ein scharfer Trompetenstoß, und Robert wankte auf das Floß, dicht gefolgt von Paul und von Mabo, der kaum bei Bewußtsein schien und von Paul gestützt wurde. Auf einmal sprang Stephen mit einem Wutschrei zwischen den Pferden hervor und versetzte dem Mestizen eine Ohrfeige, mit solcher Wucht, daß Mabo vor den Pferden zu Boden sank.
»Das büßt du mir«, sagte Stephen mit einem Schnaufen, als ob er keine Luft bekäme, und Robert dachte, ebensogut könnte Stephen ihn zu Boden schlagen, weil er in Fort George wegen ihm geschossen hatte, und in diesem traumhaften Augenblick wünschte er sich sogar beinahe, daß Stephen zuschlagen würde. Und die Vögel kreischten und schrien, und die Sonne schwebte foppend über dem ungeheuren Gebiß des Wehrs, und der Labouring Creek stampfte, daß die zum Floß verknüpften Baumstämme unter ihren Füßen sich schlingernd und knirschend aneinander rieben.
Vom Lager her erklangen nun Hufschläge, Rufe, ein weiterer Trompetenstoß. Im letzten Moment huschte Henry aufs Floß, aschgrau, mit angstgeweiteten Augen. Da hatte Stephen schon das Seil vom Ufer gelöst, und das Floß trieb auf die Mitte des Stroms zu. In der auf einmal starken Strömung sprangen die Baumstämme auf und ab, und Robert ließ sich auf einen unförmigen, mit Sackleinen umwundenen Packen fallen, der mitten auf dem Floß lag. Jetzt erst bemerkte er, daß drei Schritte vor ihm, am lodernden Bugfeuer, eine ihm unbekannte Gestalt saß, mit langem braunem Gewand, den Kopf unter einer Kapuze verborgen. Vom Pfad her wurde ein Schuß abgefeuert, und als Robert herumfuhr, sah er voller Entsetzen, daß drei Soldaten, auf ungesattelten Pferden, in gestrecktem Galopp hinter ihnen herjagten. Aber der Pfad war zu verstrüppt, die Strömung so stark, daß ihr Floß dreimal so rasch vorankam wie die Reiter, die immer weiter zurückfielen und gleich schon hinter Bäumen und Dickicht verschwunden waren.
Die Nacht brach herein. Nur noch einige orangerote Lichtstreifen am Himmel und ihr flackerndes Bugfeuer hellten die Finsternis auf. Wie leichtsinnig, dachte Robert, im Dunkeln den Strom hinabzujagen, zumal bei dieser brausenden Strömung. Aber nun spürte er, wie ihn Erschöpfung überkam, und er sagte sich, daß Stephen und Paul sicherlich jede einzelne Stromschnelle oder Untiefe im Labouring Creek kannten.
Er wandte sich um und sah zu Mabo hinüber, der immer noch am Boden lag, an seine Schecke geschmiegt, nackt bis auf die in Fetzen gerissene Hose. Da stand Robert auf, streifte, ohne sich zu besinnen, sein Hemd ab, ging auf dem schwankenden Grund zu Mabo hin und warf es ihm über Schulter und Rücken.
Das Kreischen der Vögel war verstummt, im selben Moment, da die Sonne hinter den Bäumen versunken war. Eine eigentümliche Stille war eingekehrt, in der man nur das Glucksen des Wassers, das Fauchen des Feuers und das Stampfen des Floßes auf den Wellen hörte. Robert sah hinüber zu Paul Climpsey, der auf dem hintersten Rand des Floßes hockte, noch hinter den Pferden, die im Liegen angepflockt waren, damit sie sich auf dem unsicheren Untergrund nicht verletzen konnten. Paul wandte ihnen den Rücken zu und sah über den Fluß zurück. In die Vergangenheit, dachte Robert, die ihn vielleicht allzusehr im Bann hielt, oder zum Victoria Camp, von dem nur noch ein matter Widerschein am Nachthimmel zu sehen war. Paul hatte soeben einen Mann erschossen, eine Bluttat, die allein für ihn nichts Besonderes darstellen mochte. Aber er hatte den Schuß abgefeuert, dachte Robert, um Mabo vor dem Schicksal der Mayajungen zu bewahren, die am Wehr von den Stämmen zerstampft worden waren. Auf geheimnisvolle Weise schien diese Tat mit Pauls eigener Vergangenheit in Verbindung zu stehen, als er selbst ein Knabe gewesen war und in ständiger Gefahr, von einer boshaften Welt zerquetscht zu werden.
Robert spürte, daß der Schrecken über diesen Schuß, der dem bärtigen Mann die Stirn zerrissen hatte, in
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