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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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schleppend.
    Die Sonne überflutete den Platz, überall schienen gescheckte Jaguarschatten zu tanzen, in der Luft, am Ufer des Sees und zwischen den mächtigen Bäumen, die sich am Rand der Lichtung erhoben. In einem Abstand von zwanzig Schritten wankte Robert hinter den Jaguarpriestern he r, zumindest nahm er an, daß es sich um Priester des Jaguargott-Tempels handelte, der sich laut Ajkechtiim hier in der Nähe befand. Soweit dies bei ihrer Aufmachung überhaupt zu erkennen war, schienen auch sie allesamt in jungem Alter zu sein, höchstens sechzehn oder achtzehn Jahre, und wieder fragte er sich, was nur mit den erwachsenen Männern aus den Dörfern und Tempeln geschehen sein mochte. Aber es war ein flüchtiger Gedanke, der ihm gleich wieder entglitt, noch immer spürte er die Wirkung des Giftes, das seinen Verstand trübte und seine Sinne benebelte. Der Boden unter seinen Füßen schien ihm unwirklich weich, wie Sumpf, und sein Kopfschmerz war zurückgekehrt, ärger als zuvor.
    Von Zeit zu Zeit spähte einer der Jaguarpriester über die Schulter zu ihm zurück, worauf Robert jedesmal zusammenfuhr. Ihre Gesichter sahen so vollkommen wie das Antlitz eines Jaguars aus, mit der fliehenden Stirn, den gedrängten Flecken, dem hypnotisch starren Blick, daß er in diesem Moment tatsächlich in die Fratze einer Raubkatze zu schauen glaubte. Es erstaunte ihn, daß sie nicht auch ihn, wie seine Gefährten, überwältigt und gebunden hatten, doch er war immer noch zu benommen, um darüber nachzudenken. Ohnehin hatte er Mühe, mit ihnen mitzuhalten, so rasch liefen sie über den Platz, indem sie ihre fünf Gefangenen mit sich schleppten, jeweils zu zweien, an Händen und Füßen. Ab und an stieß einer der Gefährten einen traumverlorenen Seufzer aus. Offenbar hatten sie alle das Bewußtsein noch nicht wiedererlangt, oder die Jaguarpriester hatten sie aufs neue betäubt, um ihren Widerstand zu brechen.
    Endlich erreichten sie den südlichen Rand des Platzes, der von Mahagonibäumen gesäumt war. Ohne ihre Geschwindigkeit zu vermindern, liefen die Jaguarpriester in den Wald hinein, auf einem schmalen Pfad im Unterholz, und Robert folgte ihnen, benommen und atemlos. Vielleicht haben sie meine Tunika erkannt, dachte er, das nebelgraue Gewand Iltzimins, deshalb wagen sie nicht, mich gleichfalls zu überwältigen. Die Säume des Gewandes, das der greise Schamane ihm geschenkt hatte, waren mit Glyphen und kleinen Idolen verziert, die hauptsächlich den rüsselnasigen Cha'ac darstellten, aber auch andere Götzen oder Dämonen, darunter eine schaurige Wesenheit, deren Schädel und Brustkorb unter vermoderndem Fle isch teilweise skelettiert waren. Seit er diese Tunika trug, fürchtete er sich vor dem Moment, in dem Stephen ihn auffordern würde, die eingestickten Glyphen zu entziffern, doch bisher hatten die beiden Kumpane seinem neuen Gewand keine Beachtung geschenkt.
    Er bog um einen mehr als mannshohen Gesteinsbrocken, immer noch ein Dutzend Schritte hinter den Jaguarpriestern, und erstarrte in der Bewegung. Der Wald vor ihm, so weit er blicken konnte, sah aus, als ob ein Wirbelsturm hindurchgerast wäre: Hunderte gefällter Baumriesen lagen kreuz und quer übereinander, zwischen Gestrüpp und Stümpfen, und unter abgerissener Rinde schimmerte hell, wie gewaltsam entblößte Haut, das nackte Holz hervor. Robert knirschte unwillkürlich mit den Zähnen. Das Wort Schändung kam ihm in den Sinn, es sah tatsächlich so aus, als hätten Oldboy und seine Leute genau gewußt, daß dies eine heilige Stätte der Maya war, und die Krieger gerade deshalb gezwungen, sie zu verstümmeln und zu verwüsten.
    Widerstrebend ging er weiter, zwischen gefällten Baumriesen, deren Stämme so mächtig waren, daß drei Männer sie mit ausgestreckten Armen kaum umspannen konnten, und riesenhaften Baumkronen, die wie abgehackte Titanenhäupter im Unterholz lagen. Irgendwo in der Tiefe des Waldes stieß ein Brüllaffe seinen gewaltigen Ruf aus, und in noch größerer Entfernung antwortete ein zweiter Affe, mit heiserem, langgezogenem Schrei. Für einen Moment wurde Robert bang zumute. Der Ruf erinnerte ihn an den grellen Schrei, den der Uralte in Fort George ausgestoßen hatte, während er selbst, Paul und Stephen aus dem Park des Gouverneurs geflohen waren. Doch er schüttelte die Erinnerung ab und beeilte sich, den Jaguarpriestern zu folgen, die linker Hand auf einige wüst übereinandergeworfene Baumstämme zueilten. Dahinter bemerkte er einen hohen

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