Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
höhnisch an und entblößte dabei gelblich-braune Zähne, die wie ungekochte Maiskörner aussahen.
Lange schwarze Haare, schmierig vor Schweiß, fielen in öligen Strähnen über das breite, traurige Gesicht der Gestalt. Dunkle Linien, gemalt und gleichzeitig tief eingegraben, verliefen vom Nasenrücken zur Stirn, wodurch die Person aussah, als würde sie die ganze Zeit die Stirn runzeln. Die Augen waren von einem eisigen klaren Blau, ihr Ausdruck durchdringend, verächtlich und sehr ernst. Der Mann trug einen langen Bart, in dem Streifen von weißer fettiger Farbe zu sehen waren, die ihm einen hellgrauen Schimmer gaben, der Luke an den künstlichen Schnee auf den Bäumen einer Modelleisenbahn erinnerte.
So schnell wie möglich nahm Luke die weitere Umgebung in sich auf. Er suchte nach einer Tür in den rußigen Wänden. Zwischen dem Hasen und der Ziege gaben die schmucklosen Wände eine Lücke frei, es war nur ein schmaler Durchgang. Geschlossen. Um sich herum sah er nur uralten Putz, der sich ausbeulte und von den krummen Holzwänden abbröckelte,
wodurch der Raum eine eigenartig wulstige Form bekam, die Lukes Beklommenheit, falls das überhaupt möglich war, noch verstärkte. Ein kleines Fenster mit bräunlichen zugezogenen Vorhängen ließ nur gedämpftes Licht ins Zimmer.
Das Schaffell in seinem altertümlichen Bett war so schmutzig, dass es sich auf seiner Haut gummiartig anfühlte, und er bemerkte nun, dass auch sein Körper noch immer völlig verdreckt war, wie zu dem Zeitpunkt, als er nach seinem qualvollen Gewaltmarsch den Wald verlassen hatte. Die Tatsache, dass er nicht gewaschen worden war, womit er fest gerechnet hatte, traf ihn mit einer derartigen Wucht, dass er am liebsten laut losgeheult hätte.
»Willkommen«, sagte der weißgesichtige Mann. Die Stimme klang sehr tief, aber durchaus gefühlvoll. Die plötzliche Mundbewegung und der Tonfall ließen den Mann jünger erscheinen, als er Luke in dem Augenblick vorgekommen war, als er die Maske abnahm. Jetzt ging er davon aus, dass dieser seltsame Mensch ungefähr Anfang zwanzig sein musste, vielleicht sogar noch etwas jünger.
Luke räusperte sich, und seine Kehle fühlte sich an, als würden tausend Stacheln darin stecken. Er musste schlucken. »Wo bin ich?« Seine Stimme klang krächzend, ausgetrocknet, kraftlos.
»Südlich des Himmels«, sagte die ernst dreinblickende Gestalt mit ihrer tiefen Stimme, die jetzt beim zweiten Mal noch absurder klang als zuerst.
Ein dünnes hässliches Lachen kam aus dem Innern des Schafskopfes. Die höhnischen bösartigen Laute wurden durch die Maske gedämpft. Dann beugte sich die Gestalt vor, packte den grauenhaften filzigen Kopf unterhalb der Ohren und hob ihn nach einigem Herumzerren ab. Der junge Mann richtete sich wieder auf, warf den Kopf zurück und ließ sein langes schwarzes Haar über die Schultern fallen. Einige Strähnen, nicht dicker als Schnürsenkel, blieben an seinen feuchten Wangen kleben.
Das schmale Gesicht des Schafes, das ein wenig unschuldig jungenhaft wirkte, aber auch an ein Wiesel erinnerte, war ebenso mit dickem Make-up verkleistert. Über seine Wangen liefen leuchtend rote Streifen, die wie Blutspuren aussahen und von den Nasenlöchern und den schwarz geschminkten Mundwinkeln aus nach unten verliefen. Sie wirkten, als wären sie ganz frisch.
Luke schluckte. »Wer sind Sie?«
Die schaurige Antwort kam aus der Kehle des Schafs und klang wie eine Mischung aus einem Bellen und einem schrillen Kreischen. Dann kicherte der junge Mann vor sich hin. Die blassblauen Augen in den schwarz geschminkten Höhlen sahen fröhlich dabei aus. Es klang, als hätte er einen Namen geschrien: »Oscar Ray.«
Luke warf ihm einen fragenden Blick zu und musste wieder und wieder schlucken. »Oscar Ray?«
»Oskerai«, kreischte der Kerl wieder und sah jetzt noch kaputter aus, als er zwei spindeldürre Arme, die aus einer Art Nachthemd ragten, zur Decke hob.
»Wir sind die wilde Jagd«, sagte die große Gestalt mit schwerem Akzent ziemlich großspurig.
»Die letzte Zusammenkunft«, schrie eine gereizte, aufgeregte Stimme hinter der grässlichen Hasenmaske. Obwohl er wusste, dass sich ein Mensch dahinter verbarg, war Luke jetzt schon klar, dass er sich angesichts dieser wilden Augen und der verkommenen Zähne niemals wohlfühlen würde.
»Ich verstehe nicht, was soll das heißen?«, fragte Luke und hoffte, dass sie nicht merkten, wie groß seine Angst und seine Verunsicherung waren. Er war alt genug, um
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