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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Gefühl, von dem ihm beinahe schwindlig wurde. Alles war vergänglich. Alle, die hier gelebt hatten, die diese Möbel benutzt hatten, bevor sie zu Antiquitäten wurden, waren längst zu Staub zerfallen. Die unangenehme beklemmende Atmosphäre an diesem abgeschiedenen, feuchten und verrotteten Ort verstärkte sein Gefühl von Einsamkeit. Trotz des Regens war er geradezu erleichtert, dass dieses Gebäude kein Dach hatte. Sogar dieses diffuse blasse Licht war ihm willkommen. Mit einem Mal war er dankbar für die Gesellschaft der anderen. »Heilig ist dieses Ding hier ganz bestimmt nicht.« Er konnte nicht anders, als es laut auszurufen.
    »Ich weiß, was du meinst.« Hutch hatte sich wieder herausgehievt und stand nun in dem engen Seitenschiff zwischen den Bänken und überprüfte den Fußboden, bevor er vorsichtig einen Fuß vor den anderen stellte, als ginge er über eine dünne Eisschicht.
    Luke stieg über die nächste Bankreihe, aber die Stelle war brüchig und gab nach. Er zog den Fuß zurück und versuchte es woanders, bis er festeren Grund spürte. Hutch war inzwischen am Altar angelangt.
    »Denkst du, die Stelle dort, wo du gerade bist, kann uns beide tragen?«, fragte Luke.

    »Ich glaube schon.« Hutch wischte die dicke Schicht welker Blätter vom Altar, bis er ein Stück des nackten Steins freigelegt hatte.
    Luke näherte sich mit dem Rücken zur Wand vorsichtig dem Altar von der Seite her. Das dunkle Gemäuer bestand größtenteils aus Stein, der Putz war abgefallen, nachdem der Regen, der durch das offene Dach gefallen war, ihn mürbe gemacht hatte. Wie lange das gedauert hatte, konnte man kaum sagen. Bestimmt eine sehr lange Zeit.
    »Und ist da irgendwas zu sehen?«, fragte er.
    »Was denn, eine geopferte Jungfrau oder so was?«, gab Hutch zurück, ohne zu lächeln.
    »Runen oder was in der Art.«
    »Nichts. Nur so eine seltsame Kuhle. Hier direkt in der Mitte, siehst du. Das ist extra ausgehöhlt worden.«
    »Ein Taufbecken vielleicht.«
    Hutch nickte. »Da könntest du Recht haben.«
    »Und was hast du vorhin gemeint?«
    »Hm?«
    »Vorhin. Du sagtest, es sei merkwürdig hier.«
    Hutch verzog das Gesicht und schaute ihn aufmerksam an. Dann klopfte er mit dem Finger auf den Steinblock, hinter dem er stand. »Keine Kruzifixe an den Wänden. Und alle eingeritzten Zeichen und Bilder sind heidnischen Ursprungs.«
    »Wirklich?« »Und sehr alt. Dann sind da noch diese Runen. Kennst du diese kreisförmigen Markierungen bei den Schnitzereien der Wikinger? Diese Schlangen? Die länglichen schlangenartigen Körper, die sich gegenseitig vom Schwanz her auffressen?«
    »Ja, ja.«
    »Also ich glaube, hier war mal so ein Bild eingeritzt. Und außerdem etwas, das aussieht wie die Umgebung hier« – er deutete mit der Hand zur Tür und auf den Wald draußen – »mit den
Blättern und dem ganzen Gestrüpp. Der Regen hat das meiste ausgewaschen.«
    »Toll, das schau ich mir mal an.«
    »Ich hab ein bisschen von dem Dreck mit dem Taschenmesser abgekratzt. Das ist ein ziemlich komplexes Bild, was wirklich eigenartig ist, weil ja das ganze Gebäude so simpel ist. Wie ein Schuppen oder eine Scheune. Aber es muss einmal eine christliche Kirche gewesen sein. Wahrscheinlich wurde es zuletzt für diesen Zweck genutzt. Es ist nur merkwürdig, dass keine christlichen Symbole mehr zu sehen sind. Auch draußen sind keine christlichen Grabmale. Also wurde hier auch niemand beerdigt in den letzten … tausend Jahren. Wie passt das zusammen?«
    »Die Kirche wurde also über eine noch ältere Kultstätte gebaut ?«
    »Genau. Ein heiliger Ort, vermute ich. Und die Kirche ist einst das Zentrum dieser … Siedlung gewesen, die wir gefunden haben. Die kann aber nicht älter als hundert Jahre sein, so wie diese Kirche. Die Menschen sind also immer noch zu Gottesdiensten hergekommen, haben aber ihre Toten hier nicht mehr bestattet. Seltsam.«
    Als er dies sagte, wurde Luke ziemlich mulmig zumute, sein Magen rebellierte. Das Durcheinander seiner unklaren Gefühle und Gedanken drängte ihn dazu, Hutch mit weiteren Fragen zu bestürmen, aber er hielt sich zurück. Am liebsten wäre er so schnell wie möglich von hier fortgelaufen.
    »Das andere Eigenartige ist«, fuhr Hutch fort und hob dabei die Arme, »dass sich das alles immer noch hier befindet.«
    Luke verzog das Gesicht.
    Hutch deutete auf einen Steinsockel. »Niemand hat es in ein Museum geschafft. Dabei gehe ich mal davon aus, dass es nicht sehr viele gute Beispiele für altnordische

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