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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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saß mitten auf dem Gleis. Er hatte nur einen Stiefel an. Den zweiten hielt er in der Hand, begutachtete ihn von allen Seiten und seufzte geknickt. Die Würmer hatten das teure Schuhwerk gründlich ruiniert.
    Eine Szene wie ein Gemälde: »Krabbe beweint seinen Stiefel«. Und so lächerlich, dass Tolik ärgerlich wurde. Der Bandit hätte Luftsprünge machen sollen, anstatt herumzujammern. Was bedeutete schon der Verlust eines Schuhs angesichts des unverschämten Glücks, das sie gerade gehabt hatten? Die Würmer waren weg! Sie hatten sich ganz von selbst verzogen. Zu einfach, um wahr zu sein. Wie waren sie aus dem Lüftungsschacht herausgekommen?
    Ich schlafe, dachte Tolik.
    »Ich schlafe«, sagte er im Traum zu Krabbe. »Die Würmer sind gar nicht weg. Sie warten auf uns. Zieh deinen kaputten Schuh wieder an und halte dich bereit. Ich wache gleich auf und dann …«
    »Warte mal. Ich muss dir was sagen, Tom. Du hattest doch das mit dem Wandertunnel nicht geglaubt.« Triumphierend zeigte Krabbe auf einen Durchbruch in der Wand. »Es gibt ihn aber doch!«
    Tolik sah einen Rundbogen. Im Raum dahinter brannte eine Reihe von Lampen, die an dickem Draht von der Gewölbedecke hingen. Einen so gut beleuchteten Tunnel hatte er noch nie gesehen und trat bedenkenlos ein.
    Tatsächlich gab es hier alle zehn Meter Nischen in den Wänden, genau wie der alte Metrobauer Mitritsch erzählt hatte . A uch die rostigen Ketten hingen darin. Nur die an den Ketten aufgehängten Skelette waren aus unerfindlichen Gründen abhandengekommen.
    Tolik begutachtete den alten Naturstein, aus dem der Tunnel bestand. Mein Gott, wer mochte diesen unterirdischen Gang errichtet haben? Und zu welcher Zeit? Die Mauerung war so gleichmäßig, dass man hätte meinen können, das Bauwerk sei von Maschinen und nicht von Menschen errichtet worden.
    Der Tunnel war ausgesprochen trocken und sauber. Gewiss dank eines speziellen Belüftungssystems. Die Löcher im Boden gehörten möglicherweise auch dazu. Oder waren das etwa Rattenlöcher? Nein, an einem solchen Ort würden sich Ratten nie ansiedeln. Sie lieben Dunkelheit und Dreck. Hier war alles viel zu steril.
    Nach etwa zweihundert Metern kam das Ende des Tunnels in Sicht. Tolik beschleunigte den Schritt. Er wollte unbedingt herausfinden, wozu dieses unterirdische Bauwerk gedacht war.
    Plötzlich wurde es dunkler im Tunnel. Die Finsternis wälzte sich von hinten heran. Tolik drehte sich um. Die Lampen erloschen – eine nach der anderen. Plötzlich blies ihm ein eisiger Windstoß ins Gesicht. Die Ketten in den Nischen gerieten in Schwingung und rasselten schaurig.
    Als Tolik einen runden Raum betrat, dessen Decke von einer einzigen, massiven Säule gestützt wurde, versank der Tunnel endgültig in Dunkelheit. Es herrschte jedoch keine totale Finsternis. Die Wände phosphoreszierten grünlich. In diesem schwachen Schein konnte man sehen, was das Licht der Lampen verborgen hatte.
    Der Tunnel war ein Friedhof. In seinen Wänden hatten die unbekannten Baumeister unzählige Skelette eingemauert. Skelette von Kindern und Erwachsenen, von Frauen und Männern, gerade und verrenkte, vollständige und fragmentarische, denen der Kopf oder sonst welche Körperteile fehlten. In dem gespenstischen grünlichen Schein schimmerten die Gebeine durch die Mauerung hindurch.
    Tolik schlug ein fauliger Geruch in die Nase. Ursache des Gestanks war ein ekelhafter, glänzender Schleim, der auf einmal die Mauersteine überzog. Die Metamorphosen gipfelten in einem leisen Gemurmel, das Tolik hinter der Säule verortete. Er konnte keine einzelnen Worte verstehen, doch es handelte sich zweifellos um artikulierte, menschliche Laute.
    Vorsichtig ging Tolik um die Säule herum. Niemand da. Jetzt kam das Gemurmel plötzlich von der anderen Seite und wurde lauter. Doch nach einer weiteren halben Runde war von dem Unbekannten wieder nichts zu sehen. Tolik rannte jetzt wie ein Irrer um die Säule herum.
    Aus dem Gebrabbel konnte man inzwischen einzelne Wortfetzen heraushören, die seltsam, aber doch irgendwie vertraut klangen. Tolik blieb stehen, um zu verschnaufen. Jetzt hörte er das Gemurmel viel besser. Es handelte sich nicht um sinnlos aneinandergereihte Worte, sondern um Beschwörungsformeln. Beschwörungsformeln, die an denjenigen gerichtet waren, dessen Erscheinen absolute Finsternis mit sich bringt.
    Tolik rannte in Richtung Ausgang. Der Rückweg erwies sich als wesentlich schwieriger. Der vormals trockene Boden hatte sich in

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