Im Visier des Todes
Pixie-Schnitt sah nicht mehr frech gestylt aus, sondern aufgewühlt. »Céli war … « Geräuschvoll atmete sie die Luft ein. » War . Nein. Ich … ich verstehe das nicht. Es will mir immer noch nicht in den Sinn, wer zu so etwas fähig ist. Ein Menschenleben auszulöschen.«
»Das verstehe ich ebenso wenig.« Leah stützte sich an der Kante des Kofferraums ab, dankbar dafür, Halt finden zu können. Wenn sie an die Fotos dachte, wünschte sie sich gleich wieder in eine Ohnmacht zu flüchten. Aber so einfach würde es dem Mörder nicht gelingen, sie einzuschüchtern. Sie würde Fragen stellen. Die Wahrheit erfahren. »Thessa?«
»Hm?«
»Hat Céline je einen Freund erwähnt? Einen Fotografen?«
Auch Thessa lehnte sich gegen das Auto, senkte den Kopf und starrte auf ihre Hände, die krampfhaft die Schlaufen eines Shoppers kneteten. Nicht das Minitäschchen von der Trauerfeier, das im früheren Leben höchstens eine Puderdose gewesen war. So ein Shopper weckte Vertrauen. Besonders mit diesem Muster eines geblümten Wandteppichs.
»Thessa? Es ging um irgendein seltsames Fotoshooting. Wissen Sie etwas davon? War er jemand von Dream Impressions?«
Die Hände, weiße Flecken in der Dunkelheit, verkrampften sich ein bisschen mehr. »Er war nicht ihr Freund.«
»Nathalie meinte … «
»Er war nicht ihr Freund!« Thessa stieß sich vom Auto ab und torkelte ein paar Schritte über den Bürgersteig. Die Pfennigabsätze ihrer Schuhe stempelten eine Hasenfährte in die vom Regen aufgeweichte McDonald ’ s-Pappe, mit der jemand den Mülleimer verfehlt hatte. »Du kanntest sie nicht. Niemand kannte sie so wie ich! Euch hätte sie es sowieso niemals gesagt.«
»Uns?«
»Der Familie.«
»Was hätte sie uns nicht gesagt?«
»Dass wir zusammen waren. Céli und ich haben uns geliebt. So. Jetzt ist es raus, jawohl.«
»Du meinst … Nein, warte. Das ist doch … «
»Siehst du, und sie hatte recht, hatte recht! Ihr versteht das nicht! Wir haben uns geliebt, wir waren ein Paar. Und du stehst da und guckst wie … wie … eine Kuh, wenn’s donnert.« Thessa fuhr sich über die Lippen und wandte das Gesicht ab.
»Was?« Langsam ließ sie die angehaltene Luft entweichen. »Puh! Rinderwahnsinn lässt grüßen. Ich glaube, ich brauche einen Moment.«
Den brauchte sie tatsächlich. Ihre kleine Schwester … Sie hatte doch ihre kleine Schwester gekannt! Die abendlichen Treffen mit Poul, die verstohlenen Küsschen unter dem Vordach, solange die Mutter nicht hinschaute. Zugegeben, das war noch während der Schulzeit gewesen.
Thessa schluckte. »Entschuldige. So meinte ich das nicht. Es ist nur so furchtbar schwer. Nein. Es war. Es war furchtbar schwer, für uns beide.«
»Aber welche Rolle hat dann dieser Fotograf gespielt? Meinst du, sie hat ihm nur etwas vorgemacht?«
Und Poul? Dem sanften Poul, der früher Tag für Tag zu ihnen nach Hause pilgerte, um unter dem Tisch Célines Hand zu halten mit den vor Aufregung feuchten Fingern, die manchmal ihr Ziel verfehlten und bei Leah landeten.
»Was ist mit diesem Fotografen? Wollte sie durch ihn also nur an dieses Shooting rankommen?«
»Sie hatte Angst vor ihm!« Thessa kramte in der Tasche, holte ein Handy hervor und begann die Tasten mit dem Daumen zu traktieren. Dann verharrte sie mit weit ausgestrecktem Arm.
» Scheißdreck! «
Leah zuckte zusammen, als sie Célines Stimme in der menschenleeren Straße hörte.
» Thess, warum gehst du nicht dran? Oder hast du wieder vergessen, den Akku zu laden? Ich muss mit dir reden. Unbedingt!« Angespannte Stille . »Ach, verdammt! Ich will nicht deine Kack-Mailbox volllabern. Er bringt mich um. Bitte, nimm ab! Okay. Sieh einfach zu, dass du mich zurückrufst, sobald du kannst. Hast du verstanden? «
Thessas Hand zitterte, das Licht der Straßenlaterne schimmerte auf dem bläulichen Display.
»Oh Gott!« Leah schlug sich die Arme um den Körper. Diese alles verschlingende Angst. Die Hilflosigkeit.
Célines Stimme zitterte in ihr.
»Ich war bei einem Casting.« Umständlich verstaute Thessa das Handy in den Tiefen des Shoppers. »Ich habe ihren Anruf weggedrückt. Sie hat es erneut versucht, und ich habe das Telefon abgeschaltet. Die Mailbox habe ich erst Tage später abgehört. Ich bin so ein Schussel, was das angeht. Aber da war Céli schon verschwunden. Wenn ich nur rangegangen wäre! Vielleicht hätte ich alles verhindern können.«
»Nein, hättest du nicht. Ich hatte geschworen, auf sie aufzupassen, und habe es auch nicht
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