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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Seine Feinde werden ihn mit Füßen treten, und niemand mehr wird sein Flehen erhören.
    Hörst du? Steh auf! Komm, wir wollen uns jetzt befreien; begrüßenswert sind unsere Schmerzen. Sie sind die Geißel für den schwachen Leib, doch die Rettung für unsere Seele. Zerbrechen müssen wir den Trug, mit blanken Fäusten den Spiegel zerschmettern. Der klirrende Regen ist die Erlösung. Kalt sind die Scherben und gieren nach Blut. Winden soll sich das Fleisch, platzen und mit klaffenden Wunden klagen.
    »Ruhig, ruhig, hab keine Angst. Bald ist es vorbei.«
    Die Erlösung ist nah. So gilt es, die Zähne zusammenzubeißen, das Wimmern hinunterzuschlucken. Bald, sehr bald sind wir erlöst.
    »Zeig mir, dass du es magst!«
    Buchstabe um Buchstabe ritzt die Scherbe in die lebendige Haut ein, Finger verreiben das fließende Blut und genießen die klebrige Wärme.

8
    Die U-Bahn fuhr schon lange nicht mehr. Aus dem Fahrplan der Nachtbusse stückelte Leah eine Strecke zusammen, die an einer Haltestelle endete, von der aus sie für den Heimweg zumindest keinen Proviant mehr brauchen würde. Sechsmal Umsteigen bildete einen neuen Rekord. Sie bereute es, den Fiat der Mutter nicht genommen zu haben, doch da sie stets behauptete, bloß länger im Büro zu sein, hätte das nur unnötige Fragen provoziert. Auf die hin sie womöglich noch ihr kriminelles Doppelleben hätte beichten müssen.
    Kriminell … Kay Gordon zu küssen war es auf jeden Fall. Sie wusste immer noch nicht, was sie sich dabei gedacht hatte. Außer dass es schön war. Am besten, sie vergaß es sofort. Mit einer Hand fuhr sie sich über die Lippen. Nur langsam kühlte der Kuss ab.
    Auf der letzten Etappe ihrer Nachtreise schlief sie ein. Der Busfahrer weckte sie an der Endhaltestelle.
    »Schönen Abend noch«, wünschte sie ihm, bevor sie ausstieg. »Gleichfalls«, murmelte er ihr hinterher. Mit einem lauten Seufzen glitten die Türen zu. Die Lichter erloschen, außer in dem Bereich, wo der Mann seine Boulevardzeitung auseinanderfaltete, die ihn bereitwillig darüber informierte, wer diese Woche bei einem Busenblitzer erwischt worden war.
    Die Nacht zeichnete alle Konturen weich, die Stille – besonders still. Vertraute Häuser und Hecken lagen wie im Dornröschenschlaf gefangen, nur dass die Sträucher sorgsam frisiert waren und man kein Schwert brauchte, um sich zu den Pforten durchzukämpfen.
    Eigentlich hätte sie sich fragen sollen, wie es nun weiterging. Immerhin war sie dabei erwischt worden, wie sie vertrauliche Informationen gestohlen hatte. Doch das Einzige, was ihren Kopf nicht überforderte, war die Vorstellung, wie ihr schwerer Körper ins Bett fiel. Zu dieser Vorstellung gehörte auch Kay, aber das war eindeutig etwas, was jeglichen Realitätssinn sprengte.
    Sie erklomm die Treppe zum Vordach und wühlte in der Handtasche nach ihrem Schlüssel, ohne zu registrieren, dass die Eingangstür einen Spalt offen stand. Erst als sie nach dem Schloss stocherte, bemerkte sie, dass die Tür nachgab.
    Sie trat in den Flur. Die klaffende Handtasche baumelte an einer Schlaufe an ihrem Ellbogen, den Schlüsselbund hielt sie fest in der Faust. Es war kurz vor zwei, reichlich spät, um laut » Ich bin wieder da « zu rufen und auf eine Antwort zu lauschen.
    Sie tat es trotzdem. Auch wenn ihr das Herz bis zum Hals schlug und sie die Worte herauspressen musste.
    Die Möbel, diese klobigen Moloche in der Dunkelheit, schluckten ihren Ruf. Sie machte noch einen Schritt und stolperte über den alten Läufer, der sich auf dem Boden wie abgestreifte Schlangenhaut klumpte. Die Tasche rutschte ihr vom Arm und fiel schwer auf die Dielen. Sie tastete nach der Kommode und legte den Schlüsselbund ab.
    »Ich bin da!«, versuchte sie es erneut, mit einem stummen Gebet, es möge nichts Schlimmes passiert sein. Doch die Zeilen aus der SMS der Mutter legten sich wie dunkle, schwere Schatten auf ihr Gemüt. Jemand war um das Haus herumgeschlichen, schon wieder. Jemand hatte sie beobachtet.
    Diesmal war es nicht Stille, die ihr antwortete, sondern ein Wimmern, das von irgendwo oben kam.
    »Mutter?« Sie griff nach dem Treppengeländer und setzte den Fuß auf die unterste Stufe, als wäre diese zu hoch für sie. Das Holz knarzte. Das Wummern ihres Herzens brachte ihren ganzen Körper zum Beben. Sie wusste nicht, wie sie es schaffte, bis nach oben zu steigen. Die Umgebung zog an ihr vorbei wie in einem trägen Schlaf. Unter ihren Sohlen knirschte etwas Hartes, Kantiges. Scherben. Der

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