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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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„Das wird nicht nötig sein. So schlimm war es nicht. Im Gegenteil, er ist …“ Anders. Gefährlich. „Sanft“, erklärte sie zögernd. „Das war er schon immer. Du kennst ihn ja. Denkst du, du könnest … nun ja … dich Ned anvertrauen?“
    Irgendwie war ihr bei dem Gedanken unbehaglich zumute, da sie seine Reaktion nicht einzuschätzen vermochte, wenn er die Wahrheit erfuhr. Selbst ihr eigener Vater hatte stets aufbrausend reagiert, wenn Kate auch nur die leiseste Andeutung verlauten ließ, sie beschäftige sich mit einem sinnvollen Projekt – als werfe jede Form ihrer Eigenständigkeit ein schlechtes Licht auf seine väterlichen Qualitäten. Seine Liebe hatte etwas Erstickendes, Lähmendes an sich. Er bemühte sich unentwegt, ihr alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, um ihr ein Leben in Frieden und Harmonie zu garantieren.
    Ein Leben in absoluter Langeweile.
    Sie liebte ihren Vater von Herzen, hielt es aber für unbedingt notwendig, ihm ihr Tun zu verschweigen.
    „Gott behüte, nein.“ Louisa stand auf, wandte sich brüsk ab und tätschelte das Bündel in ihren Armen. „Ned ist mit Harcroft befreundet.“
    „Aber wir brauchen Unterstützung, um eine Scheidung zu erwirken. Dadurch stehen dir andere Möglichkeiten offen, nicht nur die Flucht nach Amerika. Das hier ist jedenfalls kein Dauerzustand.“ Kate wies mit einer ausladenden Armbewegung in die winzige Stube und alles, was damit einherging – ein Leben damit zu verbringen, sich vor einem Mann zu verstecken, der sie dem Gesetz nach zwingen konnte, zu ihm zurückzukehren. Schlimmstenfalls würde der Earl ihrem Sohn sämtliche Vergünstigungen verweigern, die ihm durch sein Geburtsrecht zustanden. „Es ist ein radikaler Schritt und ein langwieriger Prozess, aber ich bin fest davon überzeugt,dass du mit einer Scheidungsklage wegen ehelicher Grausamkeit Erfolg hast.“
    Louisas Hände zitterten. „Würde Ned mir denn helfen? Weißt du das? Wie viel Einfluss hast du auf ihn?“
    Nicht einmal so viel, um ihn in mein Bett zu locken.
    Hätte sie je Einfluss auf ihren Ehemann gehabt, hätte er sie niemals verlassen. Und seit seiner Rückkehr benahm er sich rätselhafter und verschlossener denn je.
    Louisa sank wieder auf den harten Stuhl, und der kleine Jeremy krähte schläfrig. „Auch das wäre keine Lösung“, fuhr sie mutlos fort. „Selbst wenn wir davon ausgehen, dass dein Ehemann Harcroft die Stirn bietet, würde es damit enden, dass Harcroft mir Jeremy wegnimmt. Aber ich lasse mein Kind niemals im Stich.“ Ihr Ton war schneidend geworden. „Ich überlasse mein Kind nicht diesem Unhold. Nicht diesem Schicksal. Lieber sterbe ich.“
    Das kalte Funkeln in Louisas Augen bewies Kate, dass sie ihre Worte bitterernst meinte. Ein Frösteln rieselte ihr über den Rücken. Sie hatte Louisa eine Pistole gebracht.
    Aber es war zu spät, ihr die Waffe wieder wegzunehmen, damit hätte sich die Situation auch nicht entschärft.
    „Die Pistole.“ Kate fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Du darfst sie nur als Drohung benutzen, ist dir das klar?“
    „Und ob mir das klar ist“, entgegnete Louisa spitz. „Das alles ist letztlich nur meine Schuld. Ich habe seine Misshandlungen ertragen und jahrelang den Mund gehalten. Keine Klagen. Kein Protest. Ich habe mein Schicksal demütig hingenommen. Ja, ich habe es nicht anders verdient.“
    „Kein Mensch verdient es, mit einem Schürhaken in den Magen geschlagen zu werden.“
    „Aber ich habe ihm niemals Einhalt geboten.“ Louisas Blick verlor sich. „Erst als er drohte, Jeremy etwas anzutun, habe ich mich zur Wehr gesetzt.“
    Vor mehr als einem Jahr hatte Kate die Wahrheit über Louisas mysteriöse Krankheiten herausgefunden. Seither hatte siedie Freundin beschworen, irgendetwas gegen ihn zu unternehmen. Es hatte dreizehn Monate gedauert, bevor Louisa sich aufraffen konnte, ihn zu verlassen. Es war herzzerreißend, erfahren zu müssen, welche seelischen und körperlichen Qualen sie erlitten hatte. Kate konnte aber auch nicht umhin, ihr im Stillen Vorwürfe über ihre Passivität und Unterwürfigkeit zu machen.
    „Sprich nicht so“, hielt sie ihr entgegen. „Du hast ihm schließlich Einhalt geboten. Jetzt bist du hier und in Sicherheit. Kein Mensch wird dich finden.“
    Kate richtete den Blick durch die verschmutzte Fensterscheibe auf das welke Gras der hügeligen Weide, die sich bis ins Tal zog. Vom meilenweit entfernten Dorf stieg eine dünne Rauchfahne hoch. Kate zählte bis zehn, um

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