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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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bitte nicht auf!«, flehte sie ihn an.
    Der Verdruss über seine Situation kochte wieder in ihm hoch. Er musste sich beherrschen, um sie nicht gleich mit Vorwürfen einzudecken. »Ich sollte nicht mit dir sprechen«, sagte er kühl. Gleichzeitig bedeutete er Greg, dass es ein längeres Gespräch werden könnte.
    »Ich weiß, tut mir leid, wirklich. Glaub mir, ich mache mir die größten Vorwürfe...«
    Er unterbrach sie mit kaum verhohlenem Ärger in der Stimme: »Ich will dich nicht daran hindern.«
    »Ich – hätte dich nie in diese Geschichte hineinziehen dürfen.«
    »Und Jessie.«
    »Was hat sie damit zu tun?«, fragte sie erschrocken.
    »Ach, egal. Es ist sowieso zu spät. Was willst du?«
    »Ich mache mir Sorgen.«
    »Reichlich spät, muss ich sagen. Ich kann dich beruhigen. Ich lebe noch. Aber deswegen rufst du nicht an, oder?«
    »Doch«, rief sie hastig, »auch. Ich hatte keine ruhige Minute mehr, nachdem ich dich nicht mehr erreichte.«
    Möglich, dass sie die Wahrheit sagte. Die ungewohnte Zeit des Anrufs sprach dafür. Dennoch ließ er sich nicht erweichen. »Was willst du wirklich?«, fragte er nüchtern.
    »Du bist sauer.«
    »Oh, merkt man das?«
    »Ich – weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Lass es einfach. Ich hätte ja nicht zum Flughafen fahren müssen.«
    Sie verzichtete darauf, seine Einsicht zu kommentieren. Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Vielleicht beruhigt es dich ein wenig: wir haben auch Probleme. Die Jungs können mit den neusten Modellrechnungen nichts anfangen. Und wir wissen immer noch nicht, was dieser Li wirklich vorhat.«
    »Willkommen im Klub«, lachte er bitter. Li kümmert mich nicht mehr, aber aus den erweiterten Daten und mit den Supercomputern, die euch zur Verfügung stehen, müsstet ihr wesentlich mehr herausholen als ich an der Uni.«
    »Du schaffst das vielleicht ...«
    »Ich soll nochmals rüberkommen? Ist es das, was du willst? Vergiss es.«
    »Wenn du wüsstest, was ich will«, murmelte sie fast unhörbar. Dann wurde ihre Stimme fester. »Interessiert es dich denn gar nicht, wie’s weitergeht?«
    »Natürlich interessiert mich das. Ist schließlich mein Job. Aber ich habe euer ›Building‹ und alles was drin ist gründlich satt.« Erst nachdem er es gesagt hatte, realisierte er, wie verletzend seine Bemerkung auf sie wirken musste. »Entschuldige, ich wollte nicht ...«
    »Schon O. K., du musst dich nicht entschuldigen.«
    Wieder entstand eine kurze Pause, bevor sie ihn mit der Frage überraschte:
    »Was brauchst du, um den Output zu analysieren?«
    »Du willst mir das streng vertrauliche Material schicken? Wie stellst du dir das vor?«
    »Lass das ruhig meine Sorge sein. Also – was brauchst du?«
    Er verstand zwar nicht, wie sie es anstellen wollte, etwas aus dem hermetisch verschlossenen Fort Meade zu schmuggeln, aber die Vorstellung, die Daten des erweiterten Modells zu studieren, reizte ihn außerordentlich.
    »Ich maile dir die Sachen«, sagte sie nur, nachdem er seine Einkaufsliste durchgegeben hatte.  
     
    Fort Meade, Maryland
     
    Alex musste sich zwingen, nicht sofort alle andern Arbeiten liegen zu lassen, als sie am Morgen nach dem Gespräch mit Ryan das Büro betrat. Es war wichtig, die übliche Routine nicht auffällig zu durchbrechen, denn was sie plante konnte ihr den Kopf kosten, oder den Job und ihren guten Ruf, was ungefähr das Gleiche bedeutete. Sie schaffte sogar den Gang zum Kaffeeautomaten, verbunden mit dem gewohnten Smalltalk, bevor sie sich Ryans Liste widmete. Die Informationen über Steuerung und Eingabeparameter der letzten Modellrechnung konnte sie inzwischen selbst an ihrem Arbeitsplatz abrufen. Ebenso die Reports und Grafiken, die Ryan wünschte. Nur auf die technischen Logfiles, die in meist kryptischen Zahlencodes Aussagen über die verwendeten SWIFT-Meldungen enthielten, hatte sie keinen Zugriff. Es war kein grundsätzliches Problem. Sie hatte sich einfach nie um die Zugriffsrechte bemüht, weil sie mit dem Zahlensalat nichts anfangen konnte, dachte sie. Ein offizieller Antrag würde ohne weiteres bewilligt, dauerte aber Tage. Keine Lösung. Sie war auf der Überholspur. Sie griff zum Telefon und drückte die Kurzwahltaste, die sie nur mit ›M‹ gekennzeichnet hatte. Auf Max’ Loyalität konnte sie zählen.
    Der erste Summton war noch nicht verklungen, als sie den Hörer hastig wieder auf die Gabel schleuderte. Wie naiv war sie? Telefongespräche konnten jederzeit aufgezeichnet werden, ohne dass jemand informiert

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