Im wilden Meer der Leidenschaft
gegangen.“
„Dein eigenes Schiff?“
„Dich wiederzufinden, Bianca Simonetti.“
Überrascht drehte sie sich zu ihm um und sah ihn aufmerksam an. Im Sonnenlicht wirkte er fast wie eine antike goldene Statue.
Er betrachtete sie abwartend, doch noch immer konnte sie seine Gedanken nicht lesen. Er war ihr weiterhin ein Rätsel.
„Hasst du mich immer noch?“, fragte er.
„Ich …“ Bianca schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Und sie wusste es wirklich nicht. Ihre Gefühle für Balthazar Grattiano waren so konfus und verworren wie ein ausgefranstes Tau, dessen Fasern im Wind tanzten.
„Eines Tages, Bianca, und zwar bald, wirst du mir erzählen müssen, was dir alles zwischen deiner Flucht aus Venedig und unserem Wiedersehen zugestoßen ist.“
„Ich weiß“, antwortete sie. Aber bitte lieber Gott, jetzt noch nicht. Noch nicht! „Du aber genauso.“
Er lachte bitter. „Bist du sicher, dass du das wirklich wissen willst?“
Nein, sie war sich nicht sicher. Obwohl sie ihm aus genau diesem Grund gefolgt war.
Sie lehnte sich an die Reling und starrte hinunter in den blauen Abgrund. Sie war gesprungen. Würde sie nun fallen – oder sicher landen?
16. KAPITEL
Balthazar inspizierte durch sein Fernrohr den Horizont, um zu erkennen, ob irgendwo Land in Sicht war, irgendeine Bucht, in die sie es vor Anbruch der Nacht schaffen konnten. Er traute weder der glatten Meeresoberfläche noch den Schäfchenwolken, die sich am Himmel bildeten. Das Wetter schlug um, und nach dem schweren Sturm, in den sie in der Mona–Passage geraten waren, war er doppelt so vorsichtig.
Die Calypso hatte nun eine wertvolle Fracht an Bord – Bianca. Und er wollte sie vor jeglicher Gefahr beschützen.
Er hörte sie lachen und lächelte unwillkürlich. Ihr Lachen hörte sich an, als sei sie selbst davon überrascht und habe es schon lange nicht mehr benutzt, doch das machte es nur noch lieblicher. Er legte das Fernrohr weg und drehte sich um, damit er hinüber zum Achterdeck sehen konnte.
Bianca rührte in dem großen Kessel, der über der Feuerstelle hing. Sie trug noch immer ihre Jungenkleidung und hatte ihre Lockenmähne mit Haarnadeln und einem Schal zurückgebunden. Der warme Wind spielte mit den Locken, die sich gelöst hatten und die sie ungeduldig aus ihren erhitzten Wangen strich. Zwei seiner Männer saßen dicht neben ihr und schnitten Zwiebeln und Maniok, während sie sie hingebungsvoll anhimmelten, als seien sie Biancas Sklaven, gefügig gemacht durch den Zauber ihres Lächelns.
Und sie waren nicht die Einzigen, die im Bann dieses Zaubers standen! Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden und sehnte sich danach, ihr Lachen noch einmal zu hören.
Sie schüttelte den Kopf, als sie weiter im Kessel rührte, und hörte den Männern zu, die ihr zweifellos eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte ihrer seefahrerischen Heldentaten erzählten. Der Rest der Mannschaft ging den üblichen Aufgaben nach, aber er konnte sehen, wie sie alle in ihre Richtung blickten und ihre Arbeit in ihre Nähe verlagerten.
Frauen an Bord konnten in der Tat ein Fluch sein. Manchmal waren sie aber auch ein Geschenk des Himmels. Marcus’ Frau Julietta war manchmal für kurze Fahrten mit an Bord der Elena Maria gekommen, dem Flaggschiff der Velazquez–Flotte, und dies schien alle an Bord dazu anzuhalten, noch härter zu arbeiten. Ein Lächeln von ihr, ein Rascheln ihrer Satinröcke, machten das harte Leben an Bord so viel angenehmer.
Und Biancas Wirkung war die gleiche. Sie war dunkelhaarig, ruhig und unabhängig, genau wie Julietta. Schwierig zu durchschauen. Aber er spürte, dass sie sich aufrichtig für alles, was um sie herum passierte, interessierte. Ihr unbefangenes und unaufdringliches Verhalten an Deck zeugten von ihrer Erfahrung mit dem Leben auf hoher See. Sie stellte den Männern Fragen und nickte und lächelte zu ihren Antworten, während sie ihnen ein Essen kochte, das mit Sicherheit das Beste war, was jeder von ihnen je an Bord eines Schiffs gegessen hatte.
Balthazar verspürte plötzlich ein ungewohntes Gefühl – Frieden. Innere Ruhe. Trotz des Sturms, der sich zusammenzog, trotz seiner eigenen Zweifel, ob es klug war, Bianca so nahe an sich heranzulassen, fühlte er sich zum ersten Mal in seinem Leben voll innerem Frieden.
Es war ein gefährliches Gefühl, das seinen alten Traum von einem Leben voll Lächeln und Heiterkeit, einem weichen, warmen Bett, liebevollen Küssen und vertraulichen Gesprächen
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