Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
stand auf und reichte Koivikko die Hand. Koivikko nahm sie.
    »Ich wünsche Ihnen alles Gute«, sagte Joentaa und löste seine Hand aus der Koivikkos.
    Dann ging er schnell den Gang entlang, trat ins Freie und fühlte sich ein wenig besser, als die schneidende, reine Kälte ihn umfing.
54
    Kai-Petteri Hämäläinen verließ das Krankenhaus im Schutz der Dunkelheit, durch einen Seiteneingang.
    Der junge Arzt mit dem merkwürdigen Namen hatte ihm die Hand gegeben und sie lange nicht losgelassen und ihn noch einmal gebeten, es ruhig anzugehen in den kommenden Tagen und Wochen. Die Schwestern und Pfleger und Patienten hatten ihn angestarrt, als er den langen Flur entlang zu den Aufzügen gegangen war. Jetzt lief er, flankiert von zwei Beamten, einem großen und einem sehr großen, und einer erhitzt wirkenden Tuula Palonen durch die Kälte auf eine Limousine zu. Die Beamten trugen lange Mäntel und ausdruckslose Blicke auf ihren Gesichtern. Tuula spähte nach links und rechts und schien erleichtert zu sein, als sie im Wagen saßen und der sehr große Beamte sie in den Abendverkehr einfädelte.
    »Es hat geklappt«, sagte Tuula. »Niemand hat dich gesehen.«
    Hämäläinen nickte und dachte an das Gespräch, das er am Nachmittag geführt hatte, eine Telefonkonferenz mit Tuula und Raafael Mertaranta, dem Geschäftsführer des Senders, der ihm zu seiner bevorstehenden Entlassung aus dem Krankenhaus gratuliert hatte wie zu einer guten Leistung.
    Er hatte auf seinem Bett gesessen, eine der Schwestern hatte die Blumen gegossen, und Tuula und Mertaranta waren sich darin einig gewesen, ihn zu einem günstigen Zeitpunkt an den wartenden Kameras vorbei zurück ins Leben zu schleusen, damit er dann umso wirksamer, umso nachhaltiger auf den Bildschirm zurückkehren konnte. Am Silvesterabend. Um den Menschen, rechtzeitig gesundet und gut gelaunt, das vergangene Jahr zu erklären.
    Phönix aus der Asche, dachte er, und der Wagen schwebte, gesteuert von einem schweigsamen Hünen, durch eine klare Winternacht. Sie ließen die Stadt hinter sich, und er schloss für eine Weile die Augen.
    Als sie zum Stillstand kamen, sagte der Beamte auf dem Beifahrersitz sein erstes Wort: »Endstation.«
    Hämäläinen sah aus dem Fenster und suchte nach dem Haus, in dem er wohnte. Der große Garten, die von hohen Tannen gesäumte Terrasse, der mit einer Plastikplane abgedeckte Pool, die warme, gedämpfte Beleuchtung hinter den Fenstern. Irene. Die Zwillinge.
    »Wo sind wir?«, fragte er.
    »Zu Hause«, sagte der sehr Große, der gefahren war.
    Er blickte noch einmal aus beiden Seitenfenstern.
    »Wir nähern uns aus einiger Entfernung, von der Rückseite«, sagte der andere. »Kommen Sie.«
    Er stieg aus.
    Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Sie standen am Fuß eines felsigen Waldes.
    »Sind Sie noch nie durch den Wald zum Haus gelaufen?«, fragte der sehr große Beamte, und Hämäläinen schüttelte den Kopf.
    »Es ist ziemlich steil, aber ein schöner Weg«, sagte der weniger Große.
    Hämäläinen nickte und biss auf die Zähne, während die anderen leichtfüßig vorangingen. Offensichtlich schien sich niemand daran zu erinnern, dass er vor zwei Tagen einem Anschlag zum Opfer gefallen war.
    »Geht’s?«, fragte Tuula, als sich in einiger Entfernung schon die Fassade des Hauses aus der Dunkelheit herausschälte.
    »Bestens«, sagte Hämäläinen, und der sehr große Beamte öffnete das kleine Tor, das immer verschlossen war.
    »Ich wusste gar nicht, dass wir überhaupt einen Schlüssel zu dieser Tür haben«, sagte Hämäläinen.
    »Er hing am Schlüsselbrett«, sagte der Große.
    »Aha.«
    »Ihre Frau hat ihn uns gegeben«, sagte der sehr Gro- ße.
    Hämäläinen nickte. Sie standen im hintersten Winkel des großen Gartens. Hinter den weißen Tannen die Fenster, dahinter Licht. Irene, dachte er. Am Mittag hatte er mit ihr gesprochen, am Telefon, und das Gefühl gehabt, dass sie weit entfernt war.
    »Wir gehen zur Terrasse«, sagte der sehr Große. Er lief gebückt, Tuula folgte, der andere Beamte lief hinter ihm. Er griff plötzlich nach seinem Arm und hielt einige Sekunden inne. Aber da war nichts, es war nur der Wind, der über die Plane strich, die den Pool bedeckte.
    Der sehr große Beamte war schon an der Fensterfront und klopfte dagegen. Irenes Silhouette hinter der Scheibe. Eine Tür, die sich öffnete.
    »Willkommen«, sagte der große Beamte und bat ihn mit einer einladenden Geste in sein eigenes Haus.
55
    Kimmo Joentaa saß lange

Weitere Kostenlose Bücher