Im Winter der Löwen
Magen und beobachtete Koivikkos Reaktion, wartete auf die Worte, die er sagen würde.
»Entschuldigen Sie meine … Irritation. Es ist nicht alltäglich, dass ein Polizist in meinem Büro steht.«
»Es geht um Ihre Tochter Maini«, sagte Joentaa.
Koivikko schwieg. Ein kräftiger, entspannt sitzender Mann, der überrascht und ansonsten vollkommen kontrolliert wirkte.
»Ich weiß, dass sie vor fünfzehn Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen ist«, sagte Joentaa.
Koivikko nickte.
»Sie haben damals … etwas getan, das die Kollegen hier in Salo eine Weile beschäftigt hat.«
»Sie sprechen in Rätseln, aber ich glaube zu verstehen, was Sie meinen«, sagte Koivikko.
»Sie haben den Mitarbeiter des Vergnügungsparks bedroht, der in Verdacht stand, fahrlässig das Feuer verursacht zu haben.«
Koivikko nickte.
»Sie haben ihn während einer Auseinandersetzung nach der Gerichtsverhandlung verletzt.«
Koivikko nickte.
»Der Mann ist freigesprochen worden«.
»Ich denke dennoch, dass er schuldig war«, sagte Koivikko. »Nicht absichtlich natürlich. Fahrlässig, wie Sie sagen. Ein Idiot. Ein Idiot zu viel. Und ich brauchte ohnehin einen Schuldigen, deshalb waren die Erkenntnisse des Gerichts für mich nicht wichtig. Ich wusste, dass er schuldig war, ich brauchte keine Beweisführung.«
Joentaa nickte.
»Damals«, sagte Koivikko. »Es ist lange her.«
Lange her, dachte Joentaa.
»Der Mann hatte ein blaues Auge. Wirklich, es schwoll in Sekunden an. Mit einem blauen Auge davongekommen, im Gegensatz zu meiner Tochter.«
Lange her, dachte Joentaa. Koivikko saß unverändert, wirkte fokussiert, aber ruhig.
»Ich wurde damals einmal zu dem Vorfall verhört. Es kam nicht zu einer Anklage oder Verhandlung. Der Mann, der meine Tochter getötet hat, war so nett, darauf zu verzichten.«
»Ich weiß«, sagte Joentaa.
»Aber ich arbeite an meinem Ruf. Sicher tauschen sich die Kollegen gerade über mich aus. Koivikko … da war doch was. Damals. Diese schreckliche Sache. Und jetzt steht schon wieder ein Polizist bei ihm im Büro. Woher wussten Sie eigentlich, wo Sie mich finden?«
»Es gehört zu unserer Arbeit«, sagte Joentaa und dachte an Patrik Laukkanen, der gestorben war und dessen Leben, in bürokratisch sachlicher Sprache, detailliert aufbereitet, auf seinem Schreibtisch lag.
»Mich würde interessieren, warum Sie hier sind«, sagte Koivikko.
Joentaa nickte. Er zwang sich, dem Blick standzuhalten und fragte: »Kennen Sie die Talkshow Hämäläinen ?«
Koivikko saß unverändert, mit zusammengekniffenen Augen. »Wer kennt die nicht?«, sagte er.
»Haben Sie die Sendung gesehen, in der die Nachbildungen …«
»Sie glauben doch nicht …«
Joentaa wartete.
»Sie glauben doch nicht, dass ich Hämäläinen … dass mich Hämäläinens Leichenschauen interessieren.«
»Haben Sie die Sendung gesehen?«
Koivikko sah Joentaa an. Er wirkte konzentriert und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Interessant«, murmelte er.
»Haben Sie?«
»Sie werden lachen, das habe ich tatsächlich. Mit meiner Frau. Wir schauen gerne diese Sendung. Haben sie gerne geschaut.«
»Nicht mehr?«
»Nur noch selten«, sagte Koivikko. »Die Sache mit den Puppen hat uns nicht gefallen.«
»Inwiefern?«, fragte Joentaa, und Koivikko schien nach einigen Sekunden leise zu lächeln.
»Als im Vorspann angekündigt wurde, dass es um Filmleichen geht, hat meine Frau gleich gesagt, dass das nichts für sie sei«, sagte er. »Ich fand das Thema aber interessant. Als dann über einen Brand in einer Geisterbahn gesprochen und diese Puppenleiche eingeblendet wurde, hat meine Frau angefangen zu weinen, und ich bin ins Bad gegangen und habe mich übergeben.«
Er schwieg eine Weile.
»Dann bin ich zurückgegangen und habe mir den Rest angesehen. Im Prinzip ein wirklich spannendes Thema. Ich hatte mich schnell erholt. Meine Frau war bereits schlafen gegangen und hat am nächsten Morgen gesagt, dass sie es geschmacklos fand und dass sie Hämäläinen nicht mehr schauen werde.«
Joentaa nickte.
»Was sie aber, nebenbei bemerkt, seit einiger Zeit doch wieder tut, ab und zu. Ist es das, was Sie wissen wollten?«, fragte Koivikko.
»Ja. Ich danke Ihnen.«
»Ich weiß nicht genau, was Sie vermuten, aber ich denke, Sie sollten eines wissen.«
»Ja?«
»Der Tod unserer Tochter liegt fünfzehn Jahre zurück. Und auf der Bahre im Fernsehen lag ein verkohlter Mann aus Plastik.«
Joentaa nickte.
»Verstehen Sie?«
»Ja. Ich danke Ihnen.« Er
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