Im Wirbel der Gefuehle
antwortete Christien stirnrunzelnd. »Wenn es so weit ist, lasse ich es dich wissen.«
»Ausgezeichnet«, erwiderte Blackford ermutigend, »solange du das Ziel nicht aus den Augen verlierst.«
Christien hatte an nichts anderes mehr gedacht, seit er das Schreiben von Theodore in den Händen hielt. Das Hauptproblem war, wieder einen freien Kopf zu bekommen und die überschäumende Wut nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.
Die Tatsache, dass Theodore seine Tochter als Schutzschild missbrauchte, zeigte, wie würdelos er war. Das Gleiche galt auch für die nächtliche Attacke auf den Mann, der es gewagt hatte, seiner Frau einen Heiratsantrag zu machen. Er schien damit zufrieden gewesen zu sein, für tot gehalten zu werden, während sie als trauernde Witwe die volle Verachtung der Gesellschaft zu spüren bekam. Nun mochte er sie vielleicht als Frau wenig achten, doch schließlich trug sie seinen Namen und war die Einzige, die sein Andenken bewahrte. Die Vorstellung, dass sie ein neues Leben anfangen könnte, sah er als Verrat an und als Verletzung seines männlichen Stolzes, obwohl er das Junggesellendasein im Untergrund freiwillig erwählt hatte. Er schien das einfach nicht akzeptieren zu können.
Seine Reaktion kam nicht gerade unerwartet. Mit was er und Vinot allerdings nicht gerechnet hatten, war, wie weit er gehen würde, um seine Ziele zu erreichen und seinen Rivalen ausschalten zu können. Sie hatten angenommen, dass er sich irgendwann zeigen würde, wieder an die Öffentlichkeit träte, um seine Rechte als Ehemann einzufordern, auch auf die Gefahr hin, mit seinen früheren Schandtaten konfrontiert zu werden. Nicht eingeplant hatten sie hingegen einen hinterlistigen Mordversuch oder gar die Entführung seiner Tochter zum Zwecke der Erpressung und Verschleierung seiner Flucht.
Diese Fehleinschätzung bekam Christien nun zu spüren, doch er übernahm auch die volle Verantwortung für die nicht getroffenen Vorsichtsmaßnahmen. Jetzt blieb ihm noch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Preis für seine Nachlässigkeit für Reine nicht zu hoch ausfiel.
Gavin und Caid präparierten eine provisorische Planche, räumten Steine aus dem Weg, Äste, Zweige und Weinreben, damit im Eifer des Gefechts keiner darüberstolperte. Dann grenzten sie die Duellbahn ab und markierten die Linien mit pulvrigem Kalk, der aus dem Spundloch eines hölzernen Fasses rieselte. Eigentlich hätte das alles ordnungsgemäß mit Pingres Sekundanten abgesprochen werden müssen, doch diese hatten ihre Aufgabe nicht wahrnehmen wollen. Sie verließen sich darauf, dass die ehemaligen Fechtmeister in solchen Dingen besser Bescheid wussten. Außerdem hielten sie es für klüger, mit solch gefährlichen Herren nicht wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in Streit zu geraten, wenn es nicht unbedingt sein musste. Das konnten sie natürlich halten, wie sie wollten.
Alles wurde so fair wie möglich durchgeführt, die Linien wurden so gezogen, dass keiner der Kombattanten durch die aufgehende Morgensonne benachteiligt würde. Theodore wurde zugestanden, per Münzwurf die Seitenwahl entscheiden zu lassen, und Christien durfte als Erster von den beiden Rapieren das für ihn passendere aussuchen. Als die Sonne hinter dem Horizont aufging, nach und nach ihre Strahlen durch die knorrigen Äste der Bäume sandte und lange Schatten auf die Lichtung warf, bezogen die beiden Kontrahenten Stellung.
Eine warme Brise wirbelte die Blätter über ihren Köpfen durcheinander, das Rauschen erinnerte dabei an ein tosendes Publikum, das dem Ereignis beiwohnte. In der Ferne hörte man die Vögel zwitschern, und vor ihnen machte sich laut klickend ein Grashüpfer aus dem Staub. Von irgendwoher drang das Bellen eines Hundes und das Brüllen der noch nicht gemolkenen Kühe zu ihnen herüber. Der Himmel war von durchdringendem Blau, und die Sonne zeigte ihre ganze Kraft.
Christien fiel auf, dass Theodore zu schwitzen begann. Trotz all seiner sorgsamen Vorbereitungen auf dieses Treffen, voller List und Tücke, war er sehr nervös, ob auch alles wie geplant verlaufen würde. Aber das sollte er auch ruhig.
Der entstellte Pingre ließ seinen Blick über die Menge schweifen, über einige der Nachbarn, die zugegen waren, die Fechtmeister und Paul, der ebenfalls dem Zweikampf beiwohnte.
Neben ihm saß Chalmette, der ohne die kleine Marguerite ein wenig verloren wirkte. Schließlich fixierte er Vinot, der durch seine lange, dürre Gestalt ohne Weiteres in der Schar der Zuschauer
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