Im Wirbel der Gefuehle
Wiedersehen möchtest, dann wirst Du dafür Sorge tragen, dass ich die Angelegenheit unbeschadet überstehe. Arrangiere das entsprechend mit Lenoir. Wie Du dabei vorgehst, überlasse ich ganz und gar Dir.
»Reine?«, fragte Christien eindringlich, während er sie besorgt betrachtete.
Sie reichte ihm wortlos das Schreiben. Dann sah sie, wie sein Gesicht trotz der dunklen Hautfarbe aschfahl wurde und er leise üble Flüche von sich gab, die ihr wie von Ferne im Kopf widerhallten.
Theodore hatte Marguerite. Wenn Christien ihn im Zweikampf verletzen würde, dann hätte Reine ihre Tochter für immer verloren. Er würde sie wahrscheinlich nicht umbringen, doch sie womöglich weit wegschaffen, nur um Reine zu verletzen.
»Vinot muss die Herausforderung zurückziehen«, sagte Christien plötzlich. »Ich werde meine Sekundanten zu Theodore schicken, um alles zu klären.«
In Reines Augen glimmte Hoffnung auf, doch noch im selben Augenblick erlosch sie wieder. »Das kannst du nicht tun, denn du würdest ihm nur in die Hände spielen. Mit größtem Vergnügen würde er dann überall herumerzählen, was für ein Feigling du bist.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Doch tut es. Sicherlich wird er es nicht dabei bewenden lassen, sondern dich öffentlich damit aufziehen. Außerdem ...«
»Was?« Christien blickte erst sie an, dann ihren Vater und schließlich in die Gesichter der anderen Fechtmeister.
»Er hat nur darauf bestanden, zu überleben«, interpretierte sie freizügig. »Von gewinnen war nicht die Rede.«
»Das wird er natürlich erwarten«, sagte Christien mit fester Überzeugung.
»Dann hätte er das genau so fordern müssen.«
Er schüttelte den Kopf. »Schließlich steht hier Marguerites Sicherheit auf dem Spiel.«
»Er ist doch ihr Vater, und er würde ihr sicherlich nichts antun. Aber wenn er nun glaubte, dass du denkst, er würde ...« Sie hielt inne und biss sich auf die Unterlippe, bis sie zu bluten anfing.
Christien, der selbst sehr besorgt dreinblickte, schaute ihr tief in die Augen. Er nickte nur noch. »Du hast recht, er würde sich ein Treffen vorstellen, bei dem mir die Hände gebunden wären.«
»Ja, aber ich kann dich doch nicht bitten ...«
Wut und Scham trieben ihr die Röte ins Gesicht, als sie daran dachte, was Theodore in seinem Brief angedeutet hatte. Niemals würde sie sich dazu herablassen, ihren Körper zu verkaufen, um Christien davon zu überzeugen, ihn am Leben zu lassen, da irrte er gewaltig. Außerdem täuschte er sich da auch in Christien, dass dies überhaupt nötig wäre.
»Und musst du auch nicht«, beantwortete er ihre unvollendete Frage und wandte sich seinen Freunden zu. »Er kann Marguerite nicht sehr weit von hier fortgebracht haben, wenn er morgen zum Duell erscheinen will. Wir, meine Freunde, können ihn suchen gehen, ihn aus seinem Versteck treiben und Marguerite sicher zurückbringen.«
»Nein!« Die Antwort kam instinktiv, auch wenn die Versuchung groß war, die Angelegenheit Christien und seinen Freunden zu überlassen. Mit all seiner Intelligenz und Stärke könnte er es bestimmt schaffen. Und was hatte er ihr einmal unmissverständlich zu verstehen gegeben? Ah, ja.
Niemand wird je die meinigen anrühren. Wenn sie es ihm erlaubte, dann würde er sein Versprechen sicherlich halten.
Das würde er bestimmt, aber um welchen Preis?
»Nein«, betonte sie noch einmal und schauderte dabei unwillkürlich. »Wenn Theodore euch kommen hört oder sieht, wie ihr euch ihm nähert, dann verliert er vielleicht die Nerven und macht irgendetwas Schreckliches, was er normalerweise nicht tun würde. Ich fürchte fast, dass er nicht wirklich ... verantwortungsbewusst ist.« Was sie eigentlich damit sagen wollte war, dass er völlig verrückt war, und zwar schon seit der Nacht, in der er auf River’s Edge angegriffen wurde.
»Wir würden jegliche Vorsicht walten lassen, damit nichts passieren könnte.«
Sie bemerkte in seinen tiefschwarzen Augen eine unverrückbare Entschlossenheit, während sie sich bewusst war, dass sie selbst von Sorge und Angst gezeichnet war. »Ich weiß, und ich würde dir jederzeit vertrauen, wenn etwas anderes im Spiel wäre als das Leben meiner Tochter. Aber ich kann das nicht, wenn auch nur der Hauch einer Möglichkeit besteht, dass ihr etwas zustößt.«
Er erwiderte ihren Blick für einen langen Augenblick, während er seine herabhängenden Hände zu Fäusten ballte. Dann entspannte er sich und nickte. »Sie ist deine Tochter, deshalb werden wir
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