Im Wirbel der Gefuehle
petite, nicht weinen. Der loup-garou wird dir nichts tun, er ist weg, und ich bleib jetzt bei dir.«
Marguerite gluckste und schluchzte noch ein letztes Mal, während sie sich mit einem ihrer Ärmchen an Christien festhielt. Den Kopf an seine Schulter gelehnt, beruhigte sie sich schließlich und seufzte tief.
Reine Pingre nährte sich den beiden im Kegel des diffusen Lampenlichts, das ihren Schatten an die Wand warf. Ihr schimmernder Körper ließ sie halb als rächende Gottheit erscheinen, halb als Madonna. Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen, während sie sich neben den beiden hinkniete und die Lampe auf dem Fußboden abstellte. Ihr weißes Nachtgewand aus feinstem Stoff wallte über ihre ebenmäßigen Glieder und endete in zahlreichen, sanft geschwungenen Falten, die bis auf den Boden reichten. Liebevoll strich sie ihrer Tochter über die Haare und versuchte, sie zu beruhigen.
»Ich denke, ihr geht es wieder gut«, flüsterte Christien.
»Das glaube ich auch.« Reine blickte Christien durch ihre langen Wimpern hindurch an und ließ in ihren tiefblauen Augen eine große Dankbarkeit erkennen. »Und deshalb haben Sie nun River’s Edge tatsächlich gewonnen, Christien Lenoir. Wenn Sie es vermögen, dann beschützen sie meine kleine Tochter, beschützen Sie uns alle hier, dann werde ich Sie auch heiraten.«
Fünftes Kapitel
Was war nur in sie gefahren? Was hatte sie sich dabei nur gedacht?
Reine konnte es sich nicht recht erklären und starrte nachdenklich die Zimmerdecke ihres Schlafgemaches an, während ihre kleine Tochter eingekuschelt neben ihr auf dem Bett lag. Die Umstände machten es in gewisser Weise nötig, dass sie Lenoirs Antrag akzeptierte, aber es schien sich auch in anderer Hinsicht irgendwie aufzudrängen, dass dieser halbnackte Fechtmeister auf River’s Edge blieb.
Ein gewichtiger Grund war sicherlich, dass er es geschafft hatte, den hysterischen Anfall von Marguerite mit ein paar sanften Worten in den Griff zu bekommen, etwas, das ihr selbst nie gelang, aber auch niemand anderem im Haus. Es war die Art und Weise, wie die Kleine an ihm hing, wie sie all ihre Hoffnungen an ihn als einen Retter knüpfte. Aber auch die nächtliche Stimmung mit dem diffusen Licht, dem unheimlichen Wehklagen ihrer Mutter und der Aufregung um Marguerite trug dazu bei, dass sie noch nachträglich eine Gänsehaut bekam. Nicht unwichtig war wohl auch seine tiefe, beruhigende Stimme sowie die Tatsache, dass er sie beide als Ausgestoßene der Gesellschaft bezeichnet hatte, was nicht ganz falsch war und eine ungewollte Gemeinsamkeit darstellte. Schließlich spielte aber auch die Vernunft eine Rolle, denn sie wusste, dass nichts mehr so sein könnte wie früher, wenn sie in diese Ehe nicht einwilligen würde.
Es war wie das Glücksspiel einer Verzweifelten. Vielleicht war sie diesbezüglich doch mehr die Tochter ihres Vaters, als sie sich eingestehen wollte.
Ihre Entscheidung wurde nicht im Geringsten von dem Anblick eines nackten, muskulösen Oberkörpers mit sehnigen Armen beeinflusst, von einem Mann, in dessen kraftvoller Faust sich ein stählerner Degen befand, dem nichts etwas anhaben konnte, der unerschütterlich schien und der zudem ein attraktives Gesicht besaß. Es war nicht das erste Mal, dass sie einen halbbekleideten Mann gesehen hatte. Sie war keine Jungfrau mehr, die beim Anblick einer durchtrainierten Männerbrust fast ohnmächtig wurde. Mit ihrem Ehemann hatte sie schließlich ein Schlafzimmer geteilt, wo beide sich an- und auszogen, badeten und im selben Bett schliefen, von anderen Dingen ganz zu schweigen.
Der Anblick von Theodore mit nacktem Oberkörper war jedoch keinesfalls vergleichbar mit dem von Christien Lenoir, in keinster Weise.
Sie wies solche Gedanken mit aller Vehemenz von sich, denn letztendlich waren die beiden nur Männer, nicht mehr und nicht weniger. Allerdings konnten sie unterschiedlicher kaum sein.
Nun, Christiens Körper war gestählt durch seine Übungen in der Fechtschule. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich ab und waren, wie bei einer griechischen Skulptur, formvollendet modelliert. Er strahlte nicht nur Stärke aus, sondern auch eine beschützende Kraft, die einem Sicherheit vermittelte. Außerdem war er größer, breiter und in jeder Hinsicht reifer als der Mann, den sie geheiratet hatte, ein Bürschchen, das niemals auch nur einen Finger krümmte, außer zum Kartenspielen oder Trinken. Wahrscheinlich unterschied sich Christien auch in anderer Hinsicht von
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