Im Wirbel der Gefuehle
Theodore.
Sie wollte sich nicht länger damit aufhalten, solche Vergleiche anzustellen, denn schließlich war sie auch kein junges, unerfahrenes Mädchen mehr, das einen Mann heiratete, nur weil man das seit ihrer Kindheit von ihr erwartete hatte und ihre Eltern ihr einredeten, dass dies das Beste für sie wäre. Jetzt war sie eine erwachsene Frau mit einer Tochter, die bereits seit zwei Jahren half, River s Edge zu führen. Sie hatte Entscheidungen zu treffen, Vorräte anzulegen, Essen zu verteilen und sich um alle, die von ihr abhingen, zu kümmern. Abgesehen davon hatte sie nebenbei den Tod ihres Mannes zu verkraften, Marguerites Albträume, die Nachlässigkeiten ihres Vaters und die zunehmende Gebrechlichkeit ihrer Mutter. Aus diesem Grund würde sie sich niemals wieder dem Willen eines Mannes beugen, unabhängig davon, ob er sie auslachte, anschrie oder zu anderen Frauen ging.
Die Hochzeit würde eine Sensation sein. In der Nachbarschaft würde sicherlich über Wochen und womöglich sogar Monate hin über nichts anderes geredet werden. Das wäre ein gefundenes Fressen für die feine Gesellschaft: Die Frau, dessen Mann unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, würde einen Fechtmeister indianischer Abstammung ehelichen, der zudem das ganze Anwesen von ihrem Vater beim Kartenspielen gewonnen hatte. Wie sie sich die Mäuler zerreißen, tuscheln und spöttisch grinsen würden, denn sie hätte es ja nicht besser verdient.
Warum, warum hatte sie sich nur einverstanden erklärt?
Es war diese starke Entschlossenheit, gepaart mit Zärtlichkeit in Christiens Augen, als er Marguerite festhielt, die Reine so bewegte, der gleiche unnachahmliche Gesichtsausdruck, wie an jenem Abend vor dem Theater. Ja, das war es. Schenkte er diesen Blick auch einer erwachsenen Frau?
Natürlich nicht ihr, das war klar. Sie erwartete nur Nachsicht von ihm. Na ja, und diese Art von Geschlechtsverkehr, der einst ihre Tochter hervorgebracht hatte, pflichtbewusst, unbequem, sowie vor allem kurz und schnell.
Bei dem Gedanken an die körperliche Seite ihrer Ehe legte sie gequält ihre Hand über die Augen. Sie war von ihrem Ehemann kaum mit Streicheleinheiten oder einem Kuss verwöhnt worden, denn die eheliche Verpflichtung bestand vielmehr meist nur in dem Anheben ihres Nachthemdes und einem schnellen, harten Vollzug, sodass sie sich danach oft gebraucht und verletzt fühlte. In ihrem Innersten spürte sie jedoch, dass es eigentlich anders sein sollte, mehr wie bei einem üppigen Mahl, welches man in tiefer Dankbarkeit langsam und genussvoll einnehmen sollte. Theodore hatte ihre zarten Versuche, in diese Richtung zu wirken, einfach abgeschmettert und sich grunzend das genommen, was ihm seiner Meinung nach zustand. Dabei war er so besessen davon, nicht zu versagen, dass es immer schnell gehen musste. Nichtsdestoweniger passierte es hin und wieder, dass er vor lauter Aufregung schon kam, bevor er in sie eindringen konnte.
Trotz derartiger Enttäuschungen hatte Reine ab und an das Gefühl, es könnte noch mehr geben, vor allem kurz nachdem Theodore sich zur Seite rollte, überkam sie oft der Wunsch, in die Arme eines anderen Mannes zu sinken, um noch etwas anderes erleben zu können.
Wie unanständig! Wie konnte sie nur im Traum daran denken, dass womöglich ein Mann nicht ausreichte, ihr das zu geben, wonach sie sich verzehrte. Welcher Ehemann könnte so eine verruchte Frau ertragen, die ein solch heißes Verlangen in sich spürte und eine derart unanständige Fantasie besaß?
Sie musste diese Schwäche für sich behalten, wie sie es auch früher schon getan hatte, was nicht weiter schwierig sein sollte. Ihrer, wenn auch kurzen, Erfahrung nach nahmen Männer meist keine Notiz davon, was Frauen dachten, und kümmerten sich auch nicht groß um ihre Gefühle und geheimen Bedürfnisse. Falls sie doch einmal solche Neigungen erkannten, dann wurden diese von ihnen als weibliche Gespinste abgetan, also als nicht beachtenswert. Das konnte zwar manchmal hilfreich sein, um nicht bloßgestellt zu werden, doch meistens frustrierte es, mit seinen Wünschen nicht wahrgenommen zu werden.
Was um Gottes willen sollte sie bloß zu ihrem Mann sagen, wenn sie ihn beim Frühstück sehen würde? Fürs Erste könnte man vielleicht darüber reden wann, wo und wie die Hochzeit stattfinden sollte, aber was dann?
Sie hatte keine Ahnung, denn schließlich war er für sie immer noch ein Fremder.
Sie hatte zugestimmt, einen fremden Mann mit indianischer Hautfarbe
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