Im Wirbel der Gefuehle
River’s Edge gebracht hatte.
Er war so zurückhaltend, was dieses Thema anging, dass Reine es auch nicht gewagt hatte, ihm davon zu erzählen, dass sie ihm gefolgt war und sich so dicht auf seine Fersen geheftet hatte, sodass sie Zeuge des
Überfalls wurde und durch ihre Anwesenheit womöglich sogar die Angreifer daran hinderte, ihr Werk zu vollenden. Aber vielleicht legte sie sich das auch nur als Ausrede so zurecht. Das schien zumindest die bessere Alternative zu sein als die Vorstellung, man hielte sie für ein eifersüchtiges Weib, das sich in alles einmischte und ihren Mann misstrauisch verfolgte und ihm nachspionierte.
Schon der Gedanke daran trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht. Es jetzt zu gestehen, wäre kaum ertragbar. Trotz alledem konnte sie sich leichter damit abfinden, dass sein Ausflug nach New Orleans etwas mit der Bruderschaft der Fechtmeister zu tun hatte und nichts mit fremden Frauen, denen er nachstieg.
Sie hätte es sich eigentlich denken können, dass er nicht zu dieser Sorte Mann gehörte, denn nichts in seinem Verhalten und seiner Art legte dies nahe. Vielmehr lag es an ihrer eigenen schlechten Erfahrung mit ihrem früheren Ehemann, dass sie sich so misstrauisch zeigte.
An der Tür zum Flur hörte man plötzlich ein kurzes, diskretes Klopfen. Sie blickte auf, dankbar für die unerwartete Ablenkung. Es war sicher Alonzo, denn niemand sonst machte sich so sachte bemerkbar.
»Ein Besucher für Monsieur Christien, Madame«, kündigte der dienstfertige Butler an, als er mit gebotener Zurückhaltung das Schlafgemach betrat. »Soll ich den Mann hereinbitten?«
Den Mann und nicht den Herrn, wunderte sich Reine über die feine Nuance in der Ankündigung von Alonzo. Sie blickte liebevoll auf den schlafenden Christien und wollte schon den Mund öffnen, um dem Diener mitzuteilen, dass es ihm noch nicht gut genug gehe, um Besuch zu empfangen, da trat der Ankömm-ling auch schon umstandslos hinter Alonzo in das Zimmer des ruhebedürftigen Patienten ein.
»Lucien Vinot, zu Ihren Diensten«, stellte er sich mit leiser Stimme vor, während er in die Mitte des Raumes vordrang. »Und Sie müssen Madame Pingre sein, nehme ich an. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört.«
Dieser Monsieur Vinot war schlank und groß, aber irgendwie auch stocksteif. Sein Haar war silbergrau, genauso wie seine Augen. Die Kleider, die er trug, bestanden aus einem schlichten Ensemble von schwarz und weiß. Er hatte tiefe Falten im Gesicht, vor allem um die Mundpartie, sodass man den Eindruck gewann, ein Lächeln müsste sich jedes Mal durch mehrere Lagen von schwersten Sorgen kämpfen. Seine Haut war aschfahl, so als hätte er nie je die Sonne gesehen, und um seine Lippen spielte ständig ein leichtes Zucken.
Er sah nicht gerade so aus wie ein Mann, mit dem sich Reine abgeben sollte, aber da er nun einmal vor ihr stand, legte sie ihr Nähzeug beiseite und wandte sich ihm wohl oder übel zu. »Guten Abend, Monsieur Vinot«, begrüßte sie ihn, stand auf und ging auf ihn zu, um ihm die Hand zu reichen, wobei sie sich so leise wie möglich verhielt, damit Christien nicht aufwachte. »Es tut mir leid, sie enttäuschen zu müssen, aber mein Verlobter schläft noch, wie Sie ja sehen können.«
»Ich werde nicht lange bleiben, sondern wollte mich nur kurz vergewissern, dass mit ihm alles in Ordnung ist.«
Die zurückhaltenden Worte unterstrichen das Gefühl, das Reine überkam, als sie seine zitternde Hand drückte. Ihre mangelnde Zuvorkommenheit erschienen ihr plötzlich schäbig und gemein. »Darf ich Ihnen vielleicht eine Erfrischung anbieten, während wir unten im Salon gemeinsam warten, bis er aufgewacht ist.«
Vinot wollte gerade auf die höfliche Einladung reagieren, als sich Christien plötzlich, von seinem Bett aus, hinter Reine bemerkbar machte.
»Ich bin schon wach, cherie.«
Sie drehte sich überrascht um, denn einerseits freute sie sich zwar, seine Stimme zu hören, andererseits war sie auch ein wenig besorgt, dass er trotz der narkotisierenden Medizin so leicht aus seinem Genesungsschlaf aufgewacht war. Seine Augen waren hell und klar, als sie seinem Blick begegnete, und noch etwas entdeckte sie, einen besonderen Schimmer, der ihr bewusst werden ließ, dass sie ihn soeben als ihren zukünftigen Ehemann vorgestellt hatte.
Ihr eigenes Verhalten verwirrte sie zutiefst, denn es war eine Sache, sich dem Unvermeidlichen zu fügen, doch etwas ganz anderes, es sich zu eigen zu machen. Sie musste aufpassen, sonst
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