Im Wirbel der Gefuehle
verkrampften Schultern entspannten, und beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, wie es ihrem Patienten ging. Er schlief, seine Arme waren seitlich neben ihm ausgestreckt und ruhten auf der Bettdecke, sein Kopf lag friedlich auf dem Kissen, mit dem Gesicht zu ihr gewandt.
Die letzten güldenen Strahlen der Sonne beschienen seine ebenmäßigen Gesichtszüge und ließen sie aufgrund seiner bronzefarbenen Haut wie die Maske eines Kriegsgottes glänzen. Die Farbgebung war dabei genauso faszinierend wie seine dichten Wimpern und die hervorstechenden Wangenknochen, die sicherlich auf seine indianischen Vorfahren zurückzuführen waren.
Der Unterschied zwischen ihrer und seiner Hautfarbe war an jenem Abend im Raucherzimmer besonders deutlich geworden. Drei Tage ... fast vier musste es nun her gewesen sein; wie seltsam, dass ihr alles noch so frisch im Gedächtnis haftete. Es war auch sonder-bar, wenn man bedachte, dass sie sich beide nie begegnet wären, wenn er es nicht darauf angelegt hätte, River’s Edge beim Kartenspielen zu gewinnen. Die gesellschaftlichen Schranken hätten es ihr nie erlaubt, sich mit ihm einzulassen, selbst wenn sich ihre Wege gekreuzt hätten. Aber die Umstände waren nun einmal so, dass sie das Schicksal zusammengebracht hatte, und ihr war es durchaus erlaubt, sich seiner Anziehungskraft hinzugeben. Oh ja, und sie auf sich wirken zu lassen.
Sie hatte solch ein Verlangen, ein unstillbares Verlangen nach ihm, an jenem Abend, als sie sich so nahe kamen. Er hatte sein Bestes gegeben, um sie vom Gegenteil zu überzeugen, aber sie kannte sich besser. Zum Beweis ihrer Sehnsucht nach ihm musste sie nur seine Lippen betrachten, und ihr Körper reagierte sofort darauf. Allein sein Anblick und das heraufbeschworene Bild, wie er sie wohl küssen mochte, ließen warme Wellen der Erregung über sie hereinbrechen. Diese Gefühle schienen völlig losgelöst von der Tatsache, dass sie ihm mitunter nicht traute und er sie hin und wieder beleidigte.
Immerhin hatte er sich als äußerst stoischer Patient erwiesen. Ihr Vater hingegen verlor schnell seinen gutmütigen Charakter, wenn er krank war, und verfluchte alle Doktoren als Quacksalber. Anders ihre Mutter, die dazu neigte, in Selbstmitleid zu zerfließen, vor sich hinzujammern und noch mehr Betreuung verlangte, als ihr sowieso schon zuteilwurde. Marguerite wiederum war meist eher aufsässig, zumindest bis sie Fieber bekam, dann allerdings eher gleichgültig und sanftmütig. Was Theodore anbelangte, so war er im Palle einer Krankheit reizbar und ungenießbar. Meist tyrannisierte er alle mit ausgefallenen Wünschen, die von vorneherein unerfüllbar waren. Überdies konnte er Schmerzen nur sehr schlecht aushalten.
Die beiden Männer waren so verschieden, wie zwei Menschen nur sein konnten.
Christien ließ sich von einer einmal getroffenen Entscheidung nicht abbringen, das hatte sie schon am ersten Tag gelernt. Im Gegensatz zu ihrem Vater neigte er nicht im Geringsten dazu, herumzutoben oder über jemanden fluchend herzuziehen. Auch sprach er nicht, wie Theodore, irgendwelche seltsamen Drohungen aus. Er sagte immer einfach, was ihm nicht passte, und handelte auch danach.
Manchmal konnte das einen in den Wahnsinn treiben, denn er blieb dann recht stur, so wie mit dem Laudanum. Zumindest hatte sie keinen Anlass, sich zu beschweren, denn sie kannte ja seine Meinung dazu.
Am Anfang dachte sie noch, dass er vielleicht richtig damit lag und die Tinktur wirklich nicht bräuchte und die betäubende Substanz ihm nicht nutzen würde. Seine Heilung verlief auch erst einmal überraschend gut, schon am ersten Tag war er nicht mehr richtig bettlägerig, sondern schaffte es bereits, in einem Stuhl zu sitzen. Am nächsten Tag lief er schon um sein Bett herum und womöglich auch noch weiter, wenn sie ihn nicht überwachte. Die Schnittwunden im Gesicht heilten am schnellsten und waren bald nur noch als dünne rote Striche zu erkennen.
Sein Kopfweh indes besserte sich kaum. Dr. Laborde bestand darauf, dass das Laudanum helfen würde. Sie bot ihm alles Mögliche an, nur damit er sich einsichtig zeigen würde, doch ohne Erfolg.
Das war ein Fehler gewesen, sie hätte Christien niemals anbieten sollen, ihn für seine Kooperation zu entlohnen. Daraufhin hatte er nämlich den Vorschlag so schnell aufgegriffen, dass ihr keine Zeit mehr blieb, sich zu wehren. Sie schüttelte den Kopf, als sie sich daran erinnerte, wie er sie überlistete.
»Ich bin ja kein Freund von süßen
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