Im Wirbel der Gefuehle
gesagt haben — ich habe es wohl verdient.«
»War es so schlimm?«
Er hob einen Zweig auf, der auf der Decke gelandet war, und zerbrach ihn in kleine Stücke. »Dein Vater und deine Mutter sprechen nicht mehr mit mir. Paul tat es leider schon. Doch, keine Angst, ich habe nach seinen Beleidigungen keine Satisfaktion gefordert.«
»Ich sollte dir dafür wohl dankbar sein«, antwortete sie, während ihr Blick sich verdunkelte.
»Nicht im Geringsten. Dein Bruder scheint einen lebendigen Ehemann einem toten Verführer vorzuziehen.« Versonnen warf er den zerkleinerten Zweig ins Gras, hinter den äußersten Rand der Picknickdecke.
»Hat er das gesagt?«, fragte sie in ungewöhnlich scharfem Ton.
»Er war aufgebracht, und wer könnte es ihm verübeln? Ich hätte niemals ...«
»Nicht doch. Sag so etwas nicht.«
Er begegnete ihren tiefblauen Augen, ihrem warmen und offenherzigen Blick. Doch das löste unwillkürlich Schuldgefühle in ihm aus, brennende Schuldgefühle. Er hätte es ihr beichten sollen, auf was er eigentlich aus war, schon vor Tagen, als es vielleicht noch nicht so tragisch gewesen wäre. Je länger er es vor ihr verheimlichte, desto schlimmer würde es später, wenn sie schließlich die Wahrheit herausfände. Er dachte ursprünglich, dass sein Vorhaben von so ungeheurer Wichtigkeit sei, dass es durchaus entschuldbar sein würde, hatte sich selbst immer wieder vorgehalten, dass ihre Gefühle dabei keine Rolle spielten und er sie in jedem Falle zur Frau nehmen würde. Doch er hatte diesbezüglich falschgelegen.
»Nein, du hast recht, ich sollte das nicht sagen.« Seine Zustimmung war ehrlich. »Aber ich hätte mir gewünscht, dass du nicht noch mehr ins Gerede kommst, noch weitere Gerüchte über dich verbreitet werden ...«
Er verstummte, mitten im Satz, denn er konnte nicht weiter lügen. Die Tatsache, dass ihr Verhältnis nun in die Öffentlichkeit gelangt war, konnte eigentlich als ein glücklicher Zufall angesehen werden, denn dadurch gab es einen gewissen Druck von außen, die Angelegenheit zu beschleunigen. Er sollte froh darüber sein, dass dem so war, denn je schneller die ganze Sache vorbei war, desto besser für alle Beteiligten. Aber stattdessen fühlte er eine bleierne Last auf seinen Schultern.
»Das macht doch nichts«, beruhigte ihn Reine und beobachtete aus den Augenwinkeln ihre Tochter, die gerade ihre kleinen Hände an ihrer Schürze abgewischt hatte und nun aufsprang, um mit Chalmette zu spielen. »Nach all dem, was man bereits hinter vorgehaltener Hand so sagt, was macht es da schon aus, wenn eine Kleinigkeit noch dazukommt? Zumindest geht es jetzt Marguerite besser.«
Tatsächlich schien sie sich wohler zu fühlen. Ihre Augen waren viel lebendiger, und sie hatte eine deutlich gesündere Gesichtsfarbe. »Schläft sie jetzt durch, wenn man sie ins Bett bringt?«
»Ja, völlig problemlos«, entgegnete sie. »Mit Chalmette in ihrer Nähe ist es tatsächlich besser geworden.«
»Sie glaubt also, dass der Hund den loup-garou im Zweifelsfall vertreiben würde.«
»So ähnlich.« Reine nickte lächelnd. »Sie glaubt, dass Chalmette dann laut genug knurren würde, sodass du dann kommen würdest, um das Ungeheuer zu verscheuchen, bevor etwas Schlimmes passiert.«
Christien presste seine Lippen zusammen und fluchte insgeheim, denn schon einmal war er nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen, um Marguerite beizustehen. Was, wenn er wieder versagen würde?
»Ich hoffe, sie hat recht.«
»Ja«, antwortete Reine nachdenklich.
Hatte er eben Zweifel in ihrer Stimme gehört? Wenn ja, dann könnte er sich wohl kaum beschweren oder gar beleidigt fühlen. Er ließ seinen Blick an ihr vorbei über die Wiese schweifen, auf der die Stute und das Pony grasten. Angesichts ihres Pferdes musste er auf einmal an die Bemerkung des Stallburschen denken, dass sie in der Nacht, als er angeschossen wurde, ausgeritten war.
»Ich wusste gar nicht, dass du eine solche Pferdenärrin bist«, bemerkte er. »Wir sollten hin und wieder zusammen ausreiten.«
»Das wäre schön, vor allem in den frühen Morgenstunden, wenn es noch recht kühl ist.«
»Oder am späten Nachmittag. Wir könnten auch bei Mondschein einen Ausflug machen.« Während er ihr diesen Vorschlag mit klopfendem Herzen unterbreitete, sah er sie aufmerksam an — wie würde sie wohl reagieren? Ihre Augen schienen sich vor Schreck zu weiten, doch als sie schließlich seinem Blick begegnete, blieben sie geheimnisvoll.
»Das ist doch wohl zu
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