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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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presste den Kopf zwischen meine Hände.
    Madeleine Lehmholz. Ich hatte den Namen schon einmal gehört. Ich lauschte in mich hinein, doch es gab keine Assoziation zu dem Namen.
    Ich lehnte mich in dem Stuhl zurück.
    Sie hatte meinen Vater und mich wegen dieser Tochter und dieses Mannes verlassen, und es war nicht auszuschließen, dass sie deshalb tot war.
    Der Gedanke traf mich wie ein Schuss aus dem Hinterhalt, und ich fühlte mich wie in jenem ersten Moment, als sich nach sechs Jahren die schwere, stählerne Gefängnistür hinter mir ein letztes Mal geschlossen hatte und ich die ersten Schritte in meine zurückgewonnene Freiheit tat. Man sollte vermuten, ich sei glücklich gewesen, euphorisch, himmelhoch jauchzend, wie ich vielleicht auch jetzt glücklich sein sollte, weil ich mit Josey nicht allein war, sondern weil sie noch eine Tante und eine Cousine hatte. Doch dem war nicht so. Ich war damals ratlos, zutiefst beunruhigt und verängstigt gewesen - und ich war es auch in diesem Augenblick.
     
    Während des Prozesses sah ich meinen Mann an. Fast zwanghaft, denn wenn ich das nicht tat, sah ich in der ersten Reihe das faltendurchwirkte, eingefallene Gesicht von Hedwig Bruchsahl, der Mutter von Jörn. Dieses starre Gesicht, in dem sich keine Miene regte und das nur auf mich gerichtet war, als sollte allein der starre Blick mich brechen, das verfolgte mich bis in meine Träume.
    Als das Urteil verkündet wurde, standen Kai Tränen in den Augen. Erst in diesem Augenblick der sich über Wochen hinziehenden Verhandlung sah ich zum ersten Mal sehr lange und bewusst in jene Richtung, in der noch eine andere Mutter saß, die wie ich ihr Kind verloren hatte. Ich sah, wie ihre starre Maske aufbrach, sich ihre Züge verzerrten und in das Gesicht all den Hass trieben, den ich selbst empfunden hatte, als ich den
Mörder meiner Tochter töten wollte. Sie wollte mich ebenfalls tot sehen. Das las ich in ihrem Gesicht.
    Ich versuchte der Urteilsbegründung zu folgen, doch in meinem Kopf lärmte allein der Hass dieser Frau. Natürlich waren Journalisten im Gerichtssaal und TV-Reporter. Ihre Kameras klickten und blendeten mich, während man mir schließlich Handschellen anlegte und mich aus dem Saal führte.
    Nichts hatte mich auf das vorbereitet, was mit mir geschehen war und später noch geschehen sollte.
    Bereits in der ersten Woche meiner Haft wurde ich zusammengeschlagen, weil ich den Fehler beging, dem Cheerleader einer Gang - so hießen die Frauen dort, die an der Spitze von Clans und Gangs standen - nicht meinen Platz an einem Kantinentisch zu überlassen. Gleich darauf beging ich noch auf der Krankenstation den zweiten Fehler, denn natürlich sagte ich in all meiner Naivität aus, wer mir das angetan hatte. Ich hatte die Krankenstation kaum verlassen, da wurde ich ein zweites Mal zusammengeschlagen, weil ich geredet hatte.
    David Plotzer hatte mir noch in den ersten Tagen meines vierwöchigen Aufenthaltes auf der Station geschrieben und mich ermuntert, über den Gefängnispsychologen einen Eilantrag auf eine Therapie zu stellen. Er hatte mir auch gleich einen Therapeuten empfohlen: John Hart. John hatte Davids Frau Claudia jahrelang therapiert, und auch wenn ihr späterer Selbstmord zu dem voreiligen Urteil führen könnte, John hätte versagt, so war er doch ein wunderbarer und einfühlsamer Therapeut und vor allem ein pragmatischer, der fern von therapeutischen Korsetts nach Möglichkeiten für den jeweiligen Menschen suchte, der gerade vor ihm saß.
    Ich sprach also noch in der ersten Woche mit dem Anstaltspsychologen, und obwohl ein Therapieantrag normalerweise erst durch Dutzende Abteilungen bis zur Genehmigung wanderte und sich das gemeinhin über Wochen hinzog, hatte ich schon nach zwei Wochen meine erste Sitzung mit John Hart.
Weil ich durch eine Wirbelverletzung nicht laufen konnte, kam John Hart auf die Station, und wir hatten unser erstes Gespräch in einem klinisch weißen Raum. Ich lag im Bett, er saß neben mir auf einem unbequemen Stuhl aus weißem Plastik und gab mir die ersten Ratschläge mit auf den Weg durch das Gefängnisleben.
    Ich sollte mir aus dem Kopf schlagen, dass diese Frauen es auf mich persönlich abgesehen hatten. Sie liebten einfach nur jeden Vorwand, der ihnen gestattete, ihrem Hass ein Ventil zu geben. Genau das hatte ich getan, und deshalb war ich nicht weniger schuldig an meinen Verletzungen als sie. Ich muss ihn angeschaut haben, als sei er verrückt, denn er lachte auf. Ein herzhaftes

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