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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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Fabriken, meist Ziegelbrennereien, die schmutzig grau mit schwarz qualmenden Schornsteinen die Gegend verunstalteten. Nach und nach drängten sich Felder, Palmen und Obstplantagen dazwischen, und schon bald war das Ufer grün. Nur das Ufer. Direkt hinter dem schmalen Grünstreifen konnten sie die Wüste erkennen, Sanddünen, so hoch wie Berge.
    Klick  – Summmm  – Pit nahm das Foto aus dem Apparat, steckte es in die Tasche und legte die Kamera auf den kleinen Holztisch neben dem großen Steuerrad. Sie hatten an Deck zu Mittag gegessen, die schmutzigen Teller und das Besteck lagen noch auf dem Tisch. Ein paar Fliegen hatten sich als dankbare Gäste eingefunden und machten sich über die Reste her. Weder Pit noch Alex machten sich die Mühe, sie zu verscheuchen.
    »Wie konnten wir nur so blöd sein und uns auf die ganze Geschichte einlassen?«, seufzte Pit und schlug nach einer vorwitzigen Fliege auf ihrer Nasenspitze. »Anstatt nach dem verlorenen Teil der Maschine zu suchen, suchen wir jetzt Möhre und Tom! Wenn wir die beiden überhaupt wiederfinden, fahren wir so schnell wie möglich nach Hause!«
    »Ich bin mal echt gespannt, was uns in Tell el-Dingsbums erwartet …!« Alex zog sich seinen Hut ein bisschen tiefer ins Gesicht.
    »Wahrscheinlich nicht viel mehr als Bakschischbettler!«
    »Oh ja, die gehen mir echt auf den Senkel!«
    Pit setzte sich gerade auf und faltete die Hände über dem Bauch. Ein Blick unter seinem Hutrand hindurch sagte Alex, dass ein kleiner Vortrag bevorstand.
    »Du darfst ihnen das Bakschischbetteln nicht übel nehmen. Weißt du, im Islam ist jeder Wohlhabende verpflichtet, dem Ärmeren etwas abzugeben. ›Teile, was du hast, und gib, was du kannst‹, das war immer ’ne ganz gute Regelung und klappt normalerweise auch. Aber dann kommst du, der Mitteleuropäer, nach Ägypten und wirst ganz automatisch als reich eingestuft, weil du dir die Reise leisten konntest. Außerdem verdienen viele Ägypter im Jahr so viel wie die Europäer im Monat. Reiche um eine kleine Gabe zu bitten ist hier keine Schande – aber wir sind’s nun mal nicht gewöhnt. Auf der anderen Seite sind die Ägypter eines der höflichsten Völker der Welt, und selbst der allerärmste Mann wird sein letztes Brot mit dir teilen – aus Gastfreundschaft. Gastfreundschaft ist auch ein wichtiger Teil der islamischen Lehre. Als wir in Kairo ankamen, hast du es doch selbst erlebt. Der Mann an der Anlegestelle hat von dir ein kleines Bakschisch gewollt, weil er glaubte, dass du reicher seist als er. Als er sah, dass du keinen Cent hattest, hat er dir von seinem Geld gegeben – und es würde mich nicht wundern, wenn er dir alles gegeben hat, was er besaß!«
    »Meine Güte!«, staunte Alex. »Die müssen sich hier ja in null Komma nix ruinieren!«
    »Wenn man eine Einladung ablehnt, ist alles klar. Weißt du, selbst der Allerärmste wird sich zwar für dich ruinieren, wenn er dich einlädt, aber seine Höflichkeit schreibt ihm die Einladung vor. Wenn dich jemand einlädt, der damit offensichtlich überfordert ist, dann musst du die Einladung mindestens dreimal deutlich ablehnen, dann ist alles paletti!«
    »Puh!«, stöhnte Alex. »Ist das kompliziert!«
    »Viele Dinge, die Ägypter aus reiner Höflichkeit tun, scheinen uns extrem unhöflich. Wenn du wem was schenkst, dann wird er es fast nebensächlich auf die Seite legen. Nicht weil’s ihm nicht gefällt, nein, er will dich mit seiner Freude über das Geschenk nicht in Verlegenheit bringen! Oder wenn du jemanden nach dem Weg fragst, dann schickt er dich mit vielen großen Worten in die falsche Richtung. Nicht aus Gemeinheit, sondern weil er den Weg auch nicht wusste und es sehr unhöflich gewesen wäre, dir keine Antwort auf deine Frage zu geben. So höflich sind sie hier!«
    »Pit?«
    »Ja?«
    »Danke für den Vortrag, das reicht jetzt!«
    Pit nickte. Ja, ja, sie hatte sich mal wieder warm geredet. Wenn sie einmal ins Erzählen kam, gab’s kein Halten.
    »Also, ich darf mal notieren, ja?«
    Möhre war mittlerweile alles egal. Sie hing nur noch auf ihrem Stuhl, sie hatte nicht mehr die Kraft zu sitzen.
    »Einen Blecheimer Sprüdelwasser mit Eis, ohne Zuckerrand, mit Strohhalm, mit Schirmchen, mit Musikbegleitung, ohne diverse Spielereien, mit Massage, ohne Kerzenlicht, ohne Dichterlesung, ohne Käseplatte, mit einer Diskussion über die politische Lage in Nahost und ihre Auswirkungen auf diverse Kleingärtnervereine Mittelamerikas (unter Ausschluss von Paraguay),

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