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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Männer. Während sie fraßen, schnüffelten sie an dem Schal, aber er interessierte sie nur flüchtig.
    Gegen Mittag waren Filip und Bolan in den nordöstlichen Quadranten vorgedrungen, wo die meisten der Regierungsgebäude standen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihn jemand erkannte, hielt Filip den Kopf gesenkt.
    Sie erreichten den Platz gegenüber dem Senatsgebäude, wo der größte Markt der Stadt die Politiker und ihre Angestellten versorgte. Er war überfüllt, weil sie genau in der Nachmittagspause angekommen waren. Die Menschen strömten scharenweise in die schattigen Bereiche, fächelten sich Luft zu und nippten an kalten Säften oder gewässertem Wein. Filip wäre das Wasser im Mund zusammengelaufen, wenn er dazu nicht schon zu ausgetrocknet wäre.
    Auf dem breiten sonnigen Hof vor dem Senatsgebäude stand ein Kriegsdenkmal, ein Monolith aus dunkelgrauem Stein. Er verschluckte die Hitze der Sonne und strahlte sie wieder aus. Niemand stand an einem heißen Sommertag in seiner Nähe, wenn er nicht musste.
    Filip musste. Er überquerte die Straße, ging an einem Zug Adliger auf Pferden vorbei.
    Bolan beeilte sich, ihm zu folgen. „Wohin gehst du? Die Hunde sind alle dahinten.“
    „Ich muss etwas nachsehen.“ Er ging auf das Denkmal zu und spürte seine drückende Hitze schon aus hundert Schritt Entfernung. Er erreichte dessen linke Seite und passte auf seinem Weg daran entlang auf, nicht auf die roten und gelben Rosen zu treten, die man um den Fuß des Steinquaders gestreut hatte. Mit den Fingern fuhr er am polierten Marmor entlang und berührte die Namen jener, die ihr Leben schon Generationen vorseiner Geburt gegeben hatten. So viele Kriege, so viele Tote, so viele Opfer, um die Freiheit seines Volkes zu sichern.
    Hinter der letzten Ecke, auf der Seite, die noch leer gewesen war, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war ein neuer Abschnitt in den Stein gehauen. Ihre Überschrift lautete „Asermos“.
    Filips Hände zitterten, als er den Stein berührte und am Ende der Liste, auf Hüfthöhe, nach den letzten Gefallenen der Schlacht suchte. Er fand die Namen der sechs Söldner, die vor dem Krankenhaus von Pumas erschossen worden waren.
    Und direkt vor ihnen seinen eigenen Namen.
    Kiril hatte es also nach Hause geschafft und von Filips Ableben berichtet. Für sein Volk war er nun wirklich tot.
    Sein Finger, der nicht mehr zitterte, fuhr die Buchstaben seines Vornamens nach. Die Hitze des Steins brannte auf seiner Haut.
    „Ist das jemand, den du kanntest?“, fragte Bolan über seine Schulter.
    Filip nickte und ließ die Hand weiter zu seinem zweiten Namen gleiten. Er hörte, wie Bolan sich die Buchstaben laut vorlas und dann erstaunt keuchte.
    „Das bist du.“ Er streckte die Hand aus und berührte das F. „Ich kann mir nicht vorstellen …“
    „Nein, das kannst du nicht.“
    „Und wer ist das?“ Bolan zeigte auf Filips Nachnamen. „Kal…kalo…“
    „Kaloyero. Das bin ich. War ich. Mein Familienname.“ Er blickte den Stein hinauf, zu der Masse von Männern, von denen einige an seiner Seite gekämpft hatten und er einige nur vom Namen kannte. „Der gleiche Name wie der meines Bruders.“ Er fuhr die Umrisse von „Fedor“ nach. Seine Augen fühlten sich schwer und geschwollen an.
    „Deine Familie denkt, du bist tot“, flüsterte Bolan. „Wie schrecklich.“
    „Nein, das ist gut so“, sagte er nachdrücklich und fragte sich dann, wen er hier überzeugen wollte. „Es bedeutet, dasssie sich mit Stolz an mich erinnern. Es bedeutet, dass sie meine Familie reich entlohnt haben.“ Sein falsches Bein schob eine Rose gegen den Fuß des Denkmals. „Das Leben beider Söhne für Ilios zu opfern bleibt nicht unbemerkt. Sie werden ihr Leben lang reich sein.“
    „Das entschädigt nicht für den Verlust ihrer Kinder.“
    „Das stimmt, besonders weil niemand überlebt, der den Namen weiterträgt. Aber mit so viel Geld können sie für meine Schwestern gute Aussteuern bezahlen, vielleicht sogar genug, dass eine von ihnen ihren Namen behalten kann.“ Er fuhr mit dem Finger über „Kaloyero“. „Wenn sie einen Sohn hat, besteht er fort.“
    „Ist ein Name so wichtig?“, fragte Bolan.
    Filip wandte sich von dem Denkmal ab und sah die Straße hinab auf den Markt. Einen Augenblick wusste er nicht mehr, warum sie hier waren. Wer war er? Nur Filip oder vielleicht sogar niemand?
    Ein Hund, der von einem wütenden Schlachter vertrieben worden war, trottete links an ihnen vorbei.
    Filip

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