Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
hatte, hatte ihre schlimmsten Vermutungen bestätigt. Marek wurde gegen seinen Willen festgehalten. Er litt.
Koli kniff Rhia in den Arm. „Du siehst verdächtig aus. Wir sind zum Einkaufen hier, denk daran.“
„Ich will Marek nicht verpassen.“
„Wir sind zu siebt hier. Wenn er hier ist, wird einer von uns ihn entdecken.“
Rhia nickte. Sie hatten sich in drei Gruppen aufgeteilt – Filip und Bolan, Lycas und Alanka und sie und Koli mit Arcas.
Sie tat so, als würde sie sich beiläufig die Auslage des nächsten Standes ansehen. Manche der Waren kannte sie nicht, zum Beispiel eine pelzige rote Frucht, deren schweren Duft sie riechen konnte, ohne sich hinabzubeugen. Neugierde überkam sie, und sie streckte die Hand danach aus.
„Die ersten dieses Jahr“, sagte der Händler, ein dicker Mann mit lockigem blondem Haar. „Alle fragen nach ihnen – ich bin der Erste, der sie verkauft. Komm in einer Stunde wieder, und alle sind weg.“
„Wie viel?“, fragte sie so normal wie möglich.
Er nannte ihr den Preis, und sie handelte ihn um die Hälfte herunter, wie Filip sie angewiesen hatte, bis sie zwei zum Preis von einer bekam.
Sie holte Arcas und Koli an einem Blumenstand ein. Viele der Blüten erkannte sie – Lavendel, Kamille, Sonnenhut, aber die größeren waren ihr fremd.
Rhia betrachtete einen Behälter voll roter Blumen. Ihre glatten Blütenblätter schmiegten sich eng aneinander. Wie die Frucht war auch ihr Duft widerlich aufdringlich. Sie fuhr miteinem Finger an den Blütenblättern entlang. Die Weichheit erweckte in ihr eine Sehnsucht nach Mareks Berührung.
„Die gefallen ihr.“ Die Händlerin, eine alte Frau mit scharfen blauen Augen und mehreren Zahnlücken, lächelte Arcas an. „Kauf ihr eine. Warum nicht?“
„Wozu sind sie gut?“, erkundigte sich Rhia.
Die Händlerin sah verwirrt aus. „Gut?“
„Welche Leiden behandelt man damit?“
Die alte Frau lachte. „Höchstens Einsamkeit. Dummes Ding. Die Kräuter sind hier drüben. Diese Blumen dienen alle nur zur Zierde.“ Sie hob die Augenbrauen, als sie Arcas ansah. „Oder als Liebesbeweis.“
Arcas zuckte zusammen. „Oh, sie ist nicht meine … äh, nicht mehr.“
„Vielleicht weil du ihr zu wenig Rosen geschenkt hast, was?“
Rhia wurde klar, dass sie damit die Blumen meinte. Neben dem Behälter mit den Blüten an langen Stielen standen mehrere Töpfe mit Erde und Rosenbüschen. Eines der Häuser, an denen sie auf dem Weg zum Markt vorbeigekommen waren, war mit einem Kasten am Fenster damit geschmückt.
„Warum soll man Geld für etwas so Nutzloses ausgeben?“, murmelte Koli. „Mich würde das überhaupt nicht beeindrucken.“
Arcas kaufte eine rote Rose und reichte sie Koli, die prompt ihre Meinung über die Nützlichkeit von Rosen änderte.
Rhia spürte, wie etwas an der Hinterseite ihres Beines abprallte. Sie sah hinab und bemerkte einen Kiesel, der neben ihrem Schuh auf dem Boden rollte. Sie ignorierte ihn, weil sie dachte, jemand, der an ihr vorbeigegangen war, hätte ihn aus Versehen aufgewirbelt.
Ein weiterer, größerer Kiesel traf Rhia gegen die Wade. Sie drehte sich um und sah über die Straße. Ein Mann mit hellen braunen Haaren verschwand in den Schatten hinter einer Reihe Fischverkäufer. Ihr Atem ging schneller. Marek? Sie wollte losrennen, doch dann erinnerte sie sich an Filips Warnungen.
Sie stieß Koli an und bedeutete ihr und Arcas, ihr zu folgen.„Da ist das Signal.“ Lycas drückte Alankas Arm so fest, dass es wehtat.
„Ich habe nichts gehört.“
Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. „Hier entlang.“ Er eilte die Straße hinab auf die Fischhändler zu. Sie musste laufen, um mit ihm Schritt zu halten.
Rhia winkte ihnen vom Eingang einer Gasse zu. Sie hatte offensichtlich Mühe, ihre Aufregung zu verbergen.
„Haben sie ihn gefunden?“ Alanka konnte nicht aufhören zu rennen.
Sie betraten die Gasse. Auf halbem Weg hinab scharten sich Rhia, Koli und Arcas um einen Mann, der auf einer Kiste saß. Alanka sah kein Kind in seinen Armen.
Rhia trat zu Seite.
Es war Adrek.
Er stand auf, um Alanka zu begrüßen. So dünn hatte sie ihn noch nie gesehen. Sein Gesicht war von einem Bart bedeckt, und seine Haare fielen ihm zottig in die Stirn, aber unter all der Unordnung leuchteten seine grünen Augen auf, als er sie erblickte.
„Du lebst!“ Sie rannte zu ihm und drückte ihn fest an sich. Sein hervortretendes Schlüsselbein grub sich in ihren Hals, und seine Schulterknochen
Weitere Kostenlose Bücher