Im Zeichen der Menschlichkeit
ist so unvorsichtig, Preußen einen Vorwand zu liefern.
Auch militärtechnisch wird dieser Krieg zu einem Probelauf: Die Dänen setzen eines der ersten Panzerschiffe ein, die Preußen rücken mit modernen Hinterladern und verbesserten Kanonen an, die eine Reichweite von zwei Kilometern haben. Im Zeitalter der Interkontinentalraketen mag das beinahe nostalgisch anmuten. Für die Dänen jedoch bedeutet es eine böse Überraschung, als ihre Stellungen in Düppel (dänisch: Dybbøl) von der gegenüberliegenden Halbinsel beschossen werden, ohne dass sie das Feuer effektiv erwidern könnten.
Nachdem die Angreifer die südlichen Grenzbefestigungen relativ leicht überwunden haben, bilden die Düppeler Schanzen das letzte große Bollwerk auf Jütland. Wie der Plural andeutet, handelt es sich dabei nicht um eine massive Festung, sondern um eine Kette von zehn Erdbastionen, die über eine Länge von drei Kilometern die Halbinsel absperren, dergestalt, dass die Dänen sowohl das Vorfeld wie auch die Zwischenräume unter Feuer nehmen können. Im hofartigen Inneren liegen Mannschaftsquartiere, Pulverkammern und Vorratsdepots.
Anders als in Solferino findet daher in Düppel keine offene Feldschlacht, sondern eine Belagerung statt. Sie zieht sich über fünf Wochen hin. Elftausend Verteidigern stehen mehr als dreimal so viele preußische Angreifer gegenüber, während die Österreicher das übrige Jütland besetzen. Der dänische Kriegsminister befiehlt, »die Stellungen bis zum Äußersten zu verteidigen«. Die preußischen Generäle beharren ihrerseits eisern auf Eroberung: »Sollte es Ströme von Blut kosten, ist es den Preis wert.« Düppel wird zur ersten Materialschlacht der Geschichte, ein blutiges Vorspiel für die weit blutigeren Kriege, die das 20. Jahrhundert prägen werden. »Es hatte etwas mechanisch Destruktives: Kanonen, die auf eine Landschaft einschlugen, als wären es gigantische Dampfhämmer«, resümiert der dänische Journalist Tom Buk-Swienty.Selbst in Sonderburg (Sønderborg) aufgewachsen, hat er kürzlich eine spannende Studie über die »Schlachtbank Düppel« vorgelegt.
Damals wie heute dreht sich über dem Gelände der schwere Propeller einer Windmühle. Sie wird nicht nur zum Symbol des Krieges, sondern des Dänentums schlechthin, gerade weil es sich um ein harmloses Bauwerk handelt. Doch die Preußen bombardieren es wie eine gegnerische Batterie. Indem sie etwas zerstören, das für Frieden und Nützlichkeit steht, demonstrieren sie das zynische Primat des Krieges.
Für eine Erstürmung müssen die Angreifer ihre Truppen möglichst nahe an die Erdwälle heranbringen. Was die Dänen ihrerseits zu verhindern trachten. Zur wichtigsten Waffe der Preußen wird daher der Spaten. In einem System von Gräben, den sogenannten Parallelen, arbeiten sie sich an die gegnerischen Stellungen heran. Zwar weist der Generalstabschef diese Zumutung erst entrüstet von sich: »Ich bin doch kein Maulwurf!« Doch die Wühlarbeit erweist sich als zielführend. Am Ende verläuft die letzte Parallele keine dreihundert Meter vom Kamm der Schanzen.
In neuer Mission
Während dieser kritischen Phase macht sich Charles van de Velde auf den Weg nach Kopenhagen, wo er mit Politikern, Journalisten und Generälen zusammentrifft. Sein Werben für die Genfer Ideen stößt jedoch weitgehend auf taube Ohren. Die Militärs sehen keine Notwendigkeit, ihre Sanitätseinheiten durch freiwillige Helfer aufzustocken. Schon gar nicht, wenn diese sich soldatische Attribute anmaßten: »Eine Uniform würde ein Hindernis in der Empfindlichkeit der Armee finden.« Vielerorts schlägt ihm klassisches Revierverhalten entgegen: »Die Sanitätsstellen wären auch sehr eifersüchtig hinsichtlich jeder freiwilligen Hilfsleistung, die sich in ihre Arbeit einmischen wolle«, berichtet er nach Genf. Seine Unterredung mit dem obersten Stabsarzt John Rørbye verläuft bezeichnend: Van de Velde bietet an, Ärzte aus Holland zu senden. Wenn man eines ganz bestimmt nicht wünsche, bescheidet ihm Rørbye barsch, seien es ausländische Ärzte, die wegen mangelnder Dänischkenntnisse alles nur behindern würden. »Dann bot ich Hilfe aus Genf an. Er lehnte rundweg ab. Ich unterbreitete ihm die Ideen, wie man bessere Tragen für Verwundete bauen könnte. ›Nein, nein‹, antwortete Rørbye, ›es ist jetzt nicht die Zeit, um sich mit solchen Neuerungen zu befassen.‹«
Mit Bangen fährt van de Velde an die Front. »Granaten und Splitter flogen überall um uns
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