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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Kapitän gehört hatte. Er warf Innes einen Blick zu – du mußt mich jetzt unterstützen –, dann ging er zur Tür, öffnete sie und winkte Lionel Stern mit entschlossener Gebärde hinaus.
    »Ich muß Sie bitten, meine Kabine zu verlassen, Sir.«
    Sterns Unterkiefer klappte herunter. Er wurde weiß. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Sie können nicht erwarten, daß ich Ihnen helfe, und ich würde diese unwillkommene Störung einem jeden verübeln, der nicht bereit ist, mir die Wahrheit zu sagen. Sie werden bitte auf der Stelle gehen.«
    Alle Willenskraft, die Stern noch zusammengehalten hatte, löste sich in Luft auf. Seine reizlosen Gesichtszüge erschlafften. Er sank in einen Sessel und stützte den Kopf in beide Hände. »Entschuldigen Sie. Sie wissen nicht, wie groß diese Anspannung ist. Sie können sich nicht vorstellen …«
    Doyle schloß die Tür, kam zurück und musterte Stern einen Augenblick lang. »Sie sind in der Lower East Side von New York geboren und aufgewachsen, als ältester Sohn russischer Einwanderer. Sie sind weltlicher Jude, von Grund auf und aus freien Stücken der amerikanischen Kultur assimiliert. Daß Sie die religiösen Überzeugungen Ihres Vaters verworfen haben, war Gegenstand eines nicht unbedeutenden Streits zwischen Ihnen beiden. Vor etwa sechs Wochen sind Sie aus Spanien – aus Sevilla, nehme ich an -nach London gereist, wo Sie mindestens einen Monat lang gemeinsam mit dem Mann, der Sie an Bord der Elbe begleitet hat, eine komplizierte Transaktion ausgehandelt haben, bei der es um die Nutzung oder den Erwerb eines äußerst seltenen und wertvollen Buches ging, das Sie jetzt nach Amerika transportieren. Dieses Buch ist der Anlaß für die wohlbegründete Sorge um Ihre Sicherheit, Mr. Stern. Und ich genieße von nun an entweder Ihre rückhaltlose Offenheit, oder diese Angelegenheit wird keine Fortsetzung finden.«
    Stern – und Innes – starrten ihn fassungslos und mit weit offenen Mündern an.
    »Habe ich irgend etwas ausgelassen?« fragte Doyle. Stern schüttelte langsam den Kopf. »Woher um alles in der Welt …«, begann Innes. »Sie tragen einen Davidstern an dieser Kette um den Hals.«
    Stern zog das beschriebene Medaillon unter dem Hemd hervor.
    »Aber woher wußtest du, daß er Russe ist?« fragte Innes. »Stern ist eine ziemlich verbreitete Abkürzung – die Amerikanisierung, wenn du so willst – einer ganzen Untergruppe von russischen Familiennamen. Sie zeigen keines der offensichtlichen äußeren Merkmale eines frommen, orthodoxen Juden – es ist wahrscheinlich, daß Ihr Vater, der zweifellos mit der ersten großen Einwanderungswelle vor einer Generation aus Rußland nach New York kam, die Religion mit sehr viel größerer Inbrunst praktiziert –, aber trotzdem tragen Sie ein religiöses Symbol verborgen am Hals, was auf eine gewisse Gespaltenheit in Ihrem Status hindeutet. Ein Konflikt, der zwischen Vater und ältestem Sohn nicht ungewöhnlich ist.
    Das Obermaterial Ihrer Schuhe – die fehlende Abnutzung an den Sohlenrändern weist darauf hin, daß sie relativ neu sein müssen – ist unverkennbar spanisches Leder, wie man es vor allem in Sevilla findet. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt muß daher also hinreichend lang gewesen sein, um dieses Paar Schuhe auf Bestellung anfertigen zu lassen -was in der Regel drei bis vier Wochen dauert –, und das läßt den Schluß zu, daß Sie vermutlich geschäftlich dort waren. Und heute nachmittag habe ich zufällig einen Teil Ihrer Unterredung mit dem Kapitän mitangehört, bei dem es um die sichere Aufbewahrung eines Buches ging.«
    Stern gab zu, daß Doyles Schlußfolgerungen allesamt zutreffend waren – bis auf zwei: Die Schuhe stammten von einem Schuhmacher in der Jermyn Street in London, wo er seine jüngsten Geschäfte getätigt habe. In Spanien sei er noch nie gewesen, aber – jawohl – das Leder sei ihm als Erzeugnis aus Sevilla verkauft worden, und das fragliche Buch sei in der Tat spanischer Herkunft.
    Innes war gleichermaßen erstaunt, ohne sich dies indessen anmerken zu lassen; er war nicht bereit, ungebührliche Bewunderung wie auch mangelnde Solidarität mit seinem Bruder zu zeigen. Er wußte, daß Arthur sich hin und wieder mit der Polizei beraten hatte, und natürlich hatte er diese Detektivgeschichten geschrieben; aber er hatte nicht geahnt, daß dieser es mit seinen deduktiven Fähigkeiten zu einer solchen Meisterschaft gebracht hatte.
    »So, Mr. Stern«, fuhr Doyle fort; er baute sich vor dem Mann auf und

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