Im Zeichen der Sechs
Schöpfung eröffnen wird, der Identität unseres Schöpfers und der exakten Natur der Beziehung zwischen uns.«
»Hmmph. Ganz ordentlicher Anspruch, das«, meinte In-nes und demonstrierte damit seine natürliche Begabung zum Understatement.
»Aber es ist noch niemandem gelungen, nicht wahr?« stellte Doyle fest.
»Für mich sind das böhmische Dörfer«, sagte Stern. »Ich würde das Mysterium der Schöpfung nicht erkennen, wenn es mich anspränge und mir den Hut vom Kopfe stähle. Ich höre nur, daß das Buch Sohar unter den Männern, mit denen mein Vater eines Sinnes ist, in dem Ruf steht, den verborgenen Schlüssel zu enthalten, der die geheimen Bedeutungen der Thora eröffnen wird –«
»Also der ersten fünf Bücher des Alten Testaments«, ergänzte Doyle.
»Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri und Deuteronomium«, sagte Innes, wobei er zur Gedächtnisstütze die Namen – hinter dem Rücken – an den Fingern abzählte, wie er es in der Sonntagsschule gelernt hatte.
»– und die Thora sei mutmaßlich eine unmittelbare Niederschrift der Lehren, die Moses auf dem Berg Sinai angeblich von Gott empfangen habe –«
»Mutmaßlich, angeblich.«
»Wie Sie ebenfalls ganz zutreffend beobachtet haben, Mr. Doyle, bin ich, was Temperament und Neigung angeht, nicht im mindesten religiös. Wenn es einen allmächtigen, allwissenden Gott gibt, und wenn es in seiner Absicht liegt, daß der Mensch das Rätsel seiner eigenen Schöpfung löse, dann bezweifle ich doch ernsthaft, daß er sich die Mühe gemacht hat, die Antwort auf den Seiten eines muffigen alten Buches zu verstecken.«
»Eines Buches immerhin, von dem Sie jetzt überzeugt sind, daß jemand bereit sei, Sie um seinetwillen zu ermorden.«
»Ich habe ja nicht gesagt, das Buch sei ohne irdischen Wert. Bevor wir es in Besitz nahmen, mußten wir das Gerona Sohar bei Lloyds in London auf einen Betrag von zweihundertfünfzigtausend Dollar versichern.«
»Lachhaft!« schnaubte Innes. »Wer würde denn so viel für ein Buch bezahlen?«
»Es gibt Privatsammler überall auf der Welt, die es als eine unbezahlbare Ergänzung ihrer Bibliothek betrachten würden«, sagte Doyle. »Leute, für die Geld keine Rolle spielt und die mehr als bereitwillig den Diebstahl eines solchen Objekts in Auftrag geben würden.«
»Einen Diebstahl in Auftrag geben? Pah – bei wem denn?«
»Nun, bei Dieben natürlich.« Gott, war der Junge manchmal begriffsstutzig.
»Damit sind Sie exakt an der Wurzel meiner Befürchtungen angelangt, Mr. Doyle«, sagte Stern. »Wie ich schon sagte, weder mein Partner noch ich selbst – sein Name übrigens ist Rupert Selig; er führt die Konten in Europa und arbeitet in unserem Londoner Büro – können einen unmittelbaren Beweis dafür vorlegen, daß uns jemand auf den Fersen ist. Aber seit wir mit dem Buch in London angekommen sind, haben wir beide das unheimliche Gefühl, daß wir beobachtet werden. Das Gefühl wurde immer stärker, als wir uns nach Southampton und an Bord der Elbe begaben. Ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll: Es ist ein Gefühl, das mir kribbelnd in den Nacken heraufkriecht; leise Geräusche, die sofort außer Hörweite geraten, wenn man innehält, um zu lauschen; Schatten, die davonhuschen, wenn man sich umdreht …«
»Das Gefühl ist mir vertraut«, sagte Doyle.
»Verfluchte Spukerscheinungen bei einer Seance sind da auch nicht gerade hilfreich«, meinte Innes.
»Absolut nicht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fand diese Sache heute abend beängstigend«, sagte Stern. »Und ich kann Ihnen nicht sagen, warum, aber ich hatte das Gefühl, daß das, was wir heute abend erlebt haben, und das, was ich durchgemacht habe, in irgendeiner Weise miteinander zusammenhängt. Dabei betrachte ich mich als einen Mann der Logik, Mr. Doyle. Ich hoffe, Sie werden nicht erleben, daß ich je eine Äußerung von mir gebe, die noch weniger logisch ist als diese.«
Doyle spürte, daß sich seine Einstellung gegenüber Stern zu ändern begann; nachdem der Mann sich von der Bürde seines anfänglichen Zauderns befreit hatte, wirkten seine ehrliche Bescheidenheit und seine Intelligenz schon sehr viel ansprechender.
»Wenn ein solches Gefühl aus den tieferen Schichten der Intuition kommt, so rate ich jedem, es zu beachten«, sagte Doyle.
»Darum habe ich mich an Sie gewandt, als der Kapitän sagte, er könne uns nicht helfen. Ich habe Zeitungsberichte darüber gelesen, wie Sie der Polizei in etlichen geheimnisvollen
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