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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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bewacht wurde. Mit dem verletzten Arm in der Schlinge kehrte Kapitän Hoffner auf die Kommandobrücke zurück; er rief seine Offiziere zusammen und veranlaßte eine Durchsuchung jeder einzelnen Kabine. Wie Doyle vorhergesagt hatte, war der Erste Offizier des Schiffes nicht aufzutreiben, obgleich viele schworen, sie hätten ihn – einen jungen, gutaussehenden Mann mit blonden Haaren – in Uniform auf dem Kommandodeck gesehen, nachdem das Unwetter begonnen hatte.
    Schlosser schwärmten im Maschinenraum aus und konnten schließlich den Notfallgenerator dazu bewegen, seine Arbeit aufzunehmen; als die Positionslampen wieder leuchteten und die Schrauben wenigstens mit Viertelkraft liefen, steuerte der Kapitän die Elbe geradewegs in den Rachen des Unwetters, dessen Kiefer sich sogleich um das Schiff schlossen. Die Besatzung verdoppelte ihre Anstrengungen, den Hauptgenerator zu reparieren, und unterdessen hatten die Passagiere in ihren Kabinen zu bleiben; die Notvorschriften waren in Kraft, und alle erhielten die strikte Anweisung, ihre Türen verschlossen zu halten. Der Sturm und die durch den Stromausfall verursachten Komplikationen lieferten eine überzeugende Begründung für diese Auflagen. Von den Meuchelmördern, die man immer noch irgendwo auf freiem Fuße an Bord vermuten mußte, ließ niemand ein Wort verlauten.
    Nachdem Wachen vor der Tür postiert waren und der Korridor in beiden Richtungen für Passagiere abgesperrt worden war, versammelten Doyle, Innes, Stern und Pinkus – den sie nun am Halse hatten, da es ihnen noch mehr widerstrebte, ihn aus den Augen zu lassen, als seine Gesellschaft zu ertragen – sich in Sterns Kabine mit einer Kerosinlampe um den Leichnam des schwarzgekleideten Attentäters.
    Als sie ihm die Maske abnahmen, erblickten sie einen Mann von etwa dreißig Jahren mit kurzgeschnittenem glattem schwarzem Haar und einem braunen Gesicht mit breiter Stirn – ein Javanese, vielleicht ein Filippino, dachte Doyle. Eine kleine Schleiftätowierung verfärbte die Ellenbogenbeuge des Mannes: ein zerbrochener Kreis, von drei gezackten Linien durchzogen. Dieses Zeichen entsprach genau der Skizze in Doyles Tasche, die er nach dem Gekritzel an der Kabinenwand neben Seligs Leiche angefertigt hatte. Bei genauerer Betrachtung erkannte Doyle, daß das Mal überhaupt keine Tätowierung war, sondern eine beachtliche Brandnarbe – eine Art Brandzeichen, wie man sie bei Rindern finden mochte.
    Die Kleidung des Mannes war aus schlichtem schwarzen Kattun gefertigt. Sechs Waffen trug er verborgen bei sich: in jedem Ärmel und jedem Hosenbein ein Messer in einer Scheide, den selbstmörderisch zum Einsatz gebrachten doppelläufigen Derringer und einen dünnen Draht, den er sich um den Leib geschlungen hatte, eine tödliche Garrotte. Seine knotigen Knöchel und die schwieligen Handflächen waren mit einem Netz von Narben überzogen – Messerwunden: ein erfahrener Kämpfer. Die blauen Flecken, die Doyle und In-nes nach ihrer kurzen Begegnung mit ihm davongetragen hatten, legten lebendiges Zeugnis für seine Meisterschaft im Nahkampf ab. Schlußfolgerung: Hier hatten sie eine kalte, effiziente Mordmaschine vor sich. Und es gab keinen zwingenden Grund zu der Annahme, daß seine überlebenden Komplizen weniger lebensgefährlich sein könnten.
    Doyle warf ein Laken über den Leichnam. Die vier Männer mußten sich immer wieder gegen Schott oder Koje stützen, um dem mahlenden, schlingernden Auf und Ab des Schiffes im Sturm standzuhalten.
    »Sie haben uns immer noch nicht erklärt, Mr. Doyle«, sagte Stern, »wie das Sohar in Ihre Kabine gekommen ist.«
    »Bei den Tabletten im Futter von Mr. Seligs Jacke habe ich auch diesen Schlüssel gefunden«, sagte Doyle und hielt ihn hoch, damit alle ihn sehen konnten. »Offensichtlich nicht der Schlüssel zu Ihrer oder sonst einer Passagierkabine, obwohl er den Prägestempel der Elbe trägt – hier …« Er deutete auf ein winziges Schiffswappen.
    »Wozu gehört er?« fragte Pinkus ungeduldig.
    »Ich habe den Schlüssel an jedem Schloß ausprobiert, das ich in der näheren Umgebung dieser Kabine finden konnte. Es gibt eine wenig benutzte Lagerkammer hinter dem Turnsaal – man würde sie gar nicht sehen, wenn man nicht danach suchte; sie wird morgens und abends verdeckt durch Stapel von Liegestühlen und Sitzkissen. Mit diesem Schlüssel ließ sich die Tür öffnen. Im Innern der kleinen Kammer fand ich eine in die Auskleidung eingelassene Tafel, einen vernachlässigten und nicht

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