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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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unseren fortwährenden Kampf. Wir alle versuchen, jeder auf seine eigene Weise, dieses tikkun zustande zu bringen, diese innere Heilung oder Instandsetzung: unser gespaltenes Selbst mit sich zu versöhnen. Jeder einzelne ist dafür verantwortlich, in seinem eigenen Leben das tikkun zu erreichen; es ist die höchste Verantwortung des Lebens. Man sagt, wenn genug Menschen dazu fähig sind, dieses Werk zu tun, dann wird solche Heilung vielleicht eines Tages für die ganze Welt kommen.«
    »Sie glauben, die Welt ist in Ungnade gefallen, ja? Wir sind alle hoffnungslose Sünder, und so weiter.«
    »Sie sind aus England, nicht wahr?«
    »Du liebe Güte, hört man das immer noch so deutlich?«
    »Nur auf überaus entzückende Weise. Aber ich möchte Sie etwas fragen: Hat Ihre Kirche von England irgendeinen Zweifel daran, daß der Mensch ein ganz und gar böser, sündhafter Wicht ist?«
    »Von der allerschlimmsten Sorte. Und meine Erfahrung mit den Menschen bestätigt das.«
    Jacob lachte. »So empfinden die meisten ihr Leben, wissen Sie. Daß sie auf irgendeine fundamentale Weise gegenüber ihrem Gott oder sich selbst versagt haben.«
    »Empfinden Sie es auch so, Mr. Stern?«
    Stern sah sie an, und seine blauen Augen leuchteten wie zwei glänzende Knöpfe; er strahlte Freude aus, so stetig wie ein Kohlenfeuer die Wärme. Wie attraktiv muß er als junger Mann gewesen sein, dachte Eileen, und augenblicklich entschied sie, daß ihr Leben jetzt wunderbar wäre, wenn sie ihn damals getroffen hätte.
    »Es ist keine Frage«, sagte Stern, »daß wir Menschen traurige und gebrochene Geschöpfe sind. Schauen Sie sich um; es erfordert keine großartige Vision, um zu erkennen, daß die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollten. Gäbe es Vollkommenheit in der Welt, weshalb sollten Mann und Frau dann zum Beispiel zwei separate Wesen sein? Warum die Unterschiede in Hautfarbe oder Religion, Heimatland oder Familie, die soviel blinden Haß und Blutvergießen hervorbringen? Anscheinend liegen auch die unvorstellbarsten Grausamkeiten niemals außerhalb des Menschenmöglichen.«
    »Ja. Es ist alles ziemlich hoffnungslos, nicht?« sagte sie und schaute ihm verträumt in die Augen.
    »Man sagt, in jeder Schöpfung enthüllt der Schöpfer seine Persönlichkeit; wenn das so ist, dann muß der Schöpfer dieser Welt ein schrecklich verletztes und unvollkommenes Wesen sein. In dieser Hinsicht ähneln wir unserem Gott vielleicht. Und wenn es einen solchen Gott gibt, dann muß er sicher mit uns in der Verbannung sein und leiden wie wir, muß sich selbst auf dem Weg zu spiritueller Vollkommenheit mühen. Auf dem Weg, auf dem wir alle dahinstolpern. Die Geschichte der Menschheit sagt uns, daß es unbestreitbar Fortschritte gibt, all unserer Gewalt und unserem Schmerz zum Trotz, ein langsames, allmähliches Voranschreiten zum Licht – im Hebräischen hat ›Licht‹ denselben numerischen Wert wie ›Geheimnis‹. Vielleicht werden wir eines Tages diese ›Erleuchtung‹ erreichen.«
    Eileen bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken. Jacob lächelte.
    »Einer der großen Nachteile des Altwerdens: Man denkt, man weiß so viel, aber niemand sonst hat die Ausdauer, einem zuzuhören.«
    »Nein, es ist sehr interessant, wirklich«, sagte Eileen. »Ich hatte nur seit Ewigkeiten keinen Grund, über solche Dinge nachzudenken.«
    »Wer hat den schon? Nur verrückte alte Männer, die sich mit tausend Büchern in ihrem Keller einschließen. Das wirkliche Leben, die Familie, der Lebensunterhalt: Wer hat da Zeit, sich über das Leiden den Kopf zu zerbrechen, wenn das Leiden soviel Zeit in Anspruch nimmt?« sagte Stern und lachte.
    »Sie sind wirklich ein ganz wunderbar eigenartiger Mann«, sagte Eileen.
    »Ist das ein Kompliment?«
    »Es ist so gemeint. Anders. Ungewöhnlich. Außerordentlich.«
    »Einige meiner herausragenden Eigenschaften.« Stern lachte wieder.
    »Nun, ich schätze sie, Mr. Stern. Sie sind ein prächtiger alter Knabe.«
    Stern holte wohltuend tief Luft und schaute aus dem Fenster; das Mondlicht schimmerte auf der leuchtenden Schneehaube eines fernen Berggipfels. »Jedenfalls ist es eine überaus erstaunliche Welt«, sagte er. »Eine Schande, daß wir sie nicht besser würdigen können.«
    »Ich nehme an, man muß diese Augenblicke einfach nutzen, wenn sie einem über den Weg laufen«, sagte Eileen, und eine köstliche Schläfrigkeit kroch in ihr herauf.
    Ein träumerischer Ausdruck erschien in Sterns Gesicht, durchscheinend und fein; er sah

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