Im Zeichen der Wikinger
werden mussten.
Er rannte auf die Brücke, um sich bei Delgado wegen der Gewichtsverteilung zu erkundigen. »Wie sieht’s aus?«
Delgado blickte von seinem Computer auf und schüttelte düster den Kopf. »Nicht gut. Noch einen Meter mehr Tiefgang, und wir werden zum U-Boot.«
»Wir haben aber noch weitere tausend Mann vor uns.«
»Bei diesem Seegang spülen uns die Wellen über das Schanzdeck, wenn wir noch fünfhundert mehr aufnehmen. Sag deinen Wissenschaftlern, dass sie mehr Schiffbrüchige zum Bug schicken sollen. Wir werden sonst zu hecklastig.«
Während Pitt die schlechte Nachricht verdaute, blickte er zu den zahllosen Menschen auf, die an den Leinen herunterrutschten oder abgeseilt wurden. Dann schaute er auf das Arbeitsdeck hinab, wo gerade ein Rettungsboot mit weiteren sechzig Schiffbrüchigen entladen wurde. Nie und nimmer konnte er Hunderte von Menschen zum Tod verurteilen, nur weil das kleine Forschungsschiff nicht alle aufnehmen konnte. Dann fiel ihm eine Lösung ein, die zumindest halbwegs funktionieren könnte. Er stürmte aufs Arbeitsdeck und rief etliche Besatzungsmitglieder zu sich.
»Wir müssen das Schiff leichter machen«, sagte er. »Kappt die Ankerketten und lasst die Anker fallen. Hievt die Tauchboote nach draußen und lasst sie im Wasser treiben. Wir können sie später wieder einsammeln. Werft jedes Stück Ausrüstung, das mehr als fünf Kilo wiegt, über Bord.«
Nachdem die Tauchboote ausgebracht waren und davontrieben, wurde der mächtige A-förmige Ladebaum, der zum Aussetzen und Bergen schwerer Messgeräte benutzt wurde, abmontiert und ebenfalls über Bord geworfen. Nur dass
der
nicht trieb. Wie ein Stein sank er zum Meeresgrund, gefolgt von etlichen Winden und tausenden Kilometern von Trossen.
Zu seiner Freude sah Pitt, dass sich der Rumpf gut fünfzehn Zentimeter aus dem Wasser gehoben hatte.
Danach wandte er sich an die Männer in den Booten, die gerade längsseits kamen. »Wir sind an der Grenze unserer Ladefähigkeit angelangt. Wenn ihr den letzten Schwung Schiffbrüchiger aufnehmt, lasst ihr euch neben dem Schiff treiben, aber schickt niemand mehr an Bord.«
Die Rudergänger bestätigten mit einem kurzen Winken und steuerten die Boote wieder in das Gewimmel der Menschen, die im Wasser um ihr Leben kämpften.
Pitt blickte auf, als McFerrin ihn von oben anpreite. Von seiner hohen Warte aus hatte der Zweite Offizier gesehen, dass das Forschungsschiff trotz der über Bord geworfenen Ausrüstung noch immer gefährlich tief im Wasser lag. »Wie viele könnt ihr noch an Bord nehmen?«
»Wie viele sind denn noch da droben?«
»Vierhundert ungefähr. Hauptsächlich Besatzungsmitglieder, nachdem die Passagiere jetzt fast alle weg sind.«
»Schicken Sie sie runter«, wies Pitt ihn an. »Sind das alle?«
»Nein«, antwortete McFerrin. »Die Hälfte der Besatzung hat sich zum Bug durchgeschlagen.«
»Können Sie mir eine ungefähre Zahl nennen?«
»Weitere vierhundertfünfzig.« McFerrin blickte zu dem groß gewachsenen Mann auf der
Deep Encounter
hinab, der die Rettungsaktion mit einem schier unglaublichen Engagement leitete. »Darf ich Ihren Namen erfahren, Sir?«
»Dirk Pitt, Leiter für Spezialprojekte bei der NUMA. Und Sie?«
»Zweiter Offizier Charles McFerrin.«
»Wo ist Ihr Kapitän?«
»Kapitän Waitkus wird vermisst«, erwiderte McFerrin.
»Vermutlich ist er tot.«
Pitt sah, dass McFerrin Brandwunden erlitten hatte. »Kommen Sie schleunigst runter, Charlie. Ich habe eine Flasche Tequila für Sie bereitstehen.«
»Ich ziehe Scotch vor.«
»Ich lasse eigens eine Flasche für Sie brennen.«
Pitt drehte sich um, hob die Hände, fing ein kleines Mädchen auf, das an einer der Leinen herunterrutschte, und reichte es Misty Graham, einer der drei Meeresbiologinnen der
Deep Encounter
. Die Mutter und der Vater kamen unmittelbar danach und wurden ebenfalls nach unten geführt. Im nächsten Moment zog Pitt Schiffbrüchige aufs Arbeitsdeck, die zu erschöpft waren, um aus eigener Kraft aus den Rettungsbooten zu steigen.
»Fahrt um das Kreuzfahrtschiff herum zur Backbordseite«, befahl er dem Rudergänger des Bootes. »Sammelt dort all diejenigen auf, die von der Strömung und den Wellen weggetragen wurden.«
Der Rudergänger, dessen Gesicht von Erschöpfung gezeichnet war, blickte zu Pitt auf und rang sich ein mattes Grinsen ab.
»Bis jetzt hab ich noch kein Trinkgeld gekriegt.«
»Ich seh zu, dass sie später was springen lassen«, sagte Pitt und grinste zurück.
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