Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
den Hinweis darauf, dass solche Eskapaden nicht auf chinesische Verhältnisse begrenzt waren.
»Tja, und was sollen wir von den beiden halten?«
»Von Fang und Zhang? Beide sind Minister ohne Geschäftsbereich. Sie sind gewissermaßen die Liberos ihrer Mannschaft oder auch so etwas wie Trainerassistenten. Ministerpräsident Xu vertraut ihnen. Sie sitzen als stimmberechtigte Mitglieder im Politbüro und sind vor allem als Strippenzieher politisch aktiv. Sie sind beide schon in fortgeschrittenem Alter und sehr lange an der Parteispitze, was aber nicht etwa heißen will, dass sie über die Jahre milder geworden wären. Im Gegenteil, alternde Kommunisten scheinen mit der Zeit nur noch verbohrter zu werden, denn weil für sie mit dem Tod, den sie vor Augen haben, alles vorbei ist, wollen sie von ihren Plänen schnell noch möglichst viel durchsetzen.«
»Okay, danke für die Informationen. Hier«, sagte MP und reichte Sears zehn ausgedruckte Seiten. »Ich möchte, dass Sie sich das ansehen und mir nach der Mittagspause eine Zusammenfassung vorlegen. Stellen Sie alle anderen Arbeiten zurück. SORGE hat Vorrang.«
Dr. Sears würde also ›für die siebte Etage arbeiten‹ müssen, wie es im hausinternen Jargon hieß, unmittelbar für die Direktoren. Nun, er hatte bereits ein eigenes Büro und einen Computer, der nicht vernetzt war, wie die meisten anderen CIA-Computer. Sears steckte die Seiten in die Jackentasche und verabschiedete sich von Mrs. Foley, die, als sie wieder allein war, aus dem hohen Fenster schaute und über den nächsten Schritt nachdachte. Eigentlich war Ed mit einem Besuch bei ihr an der Reihe, aber sie wollte nicht kleinlich sein und machte sich auf den Weg in sein Büro.
Das DCI-Büro war lang und relativ schmal geschnitten. Der Schreibtisch stand nahe der Tür und ein gutes Stück von der Sitzgruppe entfernt. Mary Pat setzte sich in den Sessel vor dem Schreibtisch.
»Wie gut ist die Mail?«, fragte Ed, der den Grund ihres Besuches natürlich ahnte.
»Mit dem Namen ›SORGE‹ ist unsere Operation wirklich gut benannt.«
Eingedenk dessen, dass die von Richard Sorge 1941 aus Tokio nach Moskau gemeldeten Informationen die Sowjetunion gerettet hatten, machte Ed Foley große Augen und fragte: »Wer hat sie sich angesehen?«
»Sears. Er macht übrigens einen sehr gescheiten Eindruck.«
»Harry hält große Stücke auf ihn«, sagte Ed. Gemeint war Harry Hall, der die Abteilung Nachrichtendienste leitete und sich zurzeit in Europa aufhielt. »Sears findet das Material also gut?«
Ein erstes Kopfnicken. »O ja, Eddie.«
»Willst du es Jack zeigen?« So etwas konnte man dem Präsidenten schließlich nicht vorenthalten, oder?
»Morgen vielleicht.« Für eine Fahrt ins Weiße Haus musste immer Zeit sein. »Eddie, wie viele dürfen darüber Bescheid wissen?«
»Gute Frage. Jack natürlich. Vielleicht auch der Vize, obwohl der sich für solche Sachen kaum interessiert. Und eventuell noch der Außen- und der Verteidigungsminister. Ben Goodley, aber auch nur vielleicht. Du kennst das Problem, Mary.«
Damit war das älteste und hartnäckigste Problem hochgeheimer Informationen angesprochen. Eine zu große Verbreitung drohte den Informanten auffliegen zu lassen, also die Gans, die die goldenen Eier legte. Wenn man aber von seinen Informationen keinen Gebrauch machte, hätte es dieser Eier gar nicht bedurft. Das richtige Maß zwischen diesen beiden Extremen zu finden war seit jeher ein Knackpunkt geheimdienstlicher Tätigkeit. Es gab kein Rezept dafür. Problematisch war auch das Wie der Verteilung von Informationen. Eine Weitergabe in codierter Form barg immer das Risiko, dass die Gegenseite den Code knackte. Die NSA wurde zwar nie müde zu behaupten, dass TAPDANCE und alle anderen Systeme absolut sicher seien, doch das hatten die Deutschen auch von ihrem Enigma-Schlüssel geglaubt.
Gefährlich war es auch, Informationen an einen Regierungsbeamten weiterzugeben. Diese Vögel waren schrecklich geschwätzig. Sie lebten sozusagen vom Geschwätzigsein und dem Ausplaudern vertraulicher Mitteilungen, davon, dass sie der Öffentlichkeit zeigten, wie wichtig sie waren. Und in Washington bemaß sich die Wichtigkeit einer Person am Informationsvorsprung gegenüber anderen. Um Informationen drehte sich in der Hauptstadt alles, was dem Präsident glücklicherweise ständig bewusst war. Er hatte es in der CIA bis zum stellvertretenden Direktor gebracht und kannte die Bedeutung solcher Sicherheitserwägungen. Gleiches
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