Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Russland, Rechtsbrecher wussten, auf was sie sich einließen und was ihnen blühte, wenn sie erwischt wurden. »Und? Wie kommst du voran?«
»Dieser Suworow… Wir können ihn nicht finden. Es ist, als würde er gar nicht existieren.«
»Wirklich?« Reilly war nur insofern überrascht, als Russland – wie so viele europäische Staaten – seine Bürger datentechnisch sehr gründlich erfasst hatte, und zwar in einem Ausmaß, das in Amerika eine zweite Revolution auslösen würde. Den Aufenthaltsort einer gesuchten Person festzustellen war hier überhaupt kein Problem – die Polizei wusste, wer wo wohnte. In dieser Hinsicht hatte sich kaum etwas verändert seit den schlimmen alten Zeiten des KGB, als angeblich jeder dritte Einwohner ein Informant gewesen war und die restlichen zwei Drittel bespitzelt hatte.
Andererseits konnte es nicht überraschen, dass sich Suworow als mutmaßlich ehemaliger KGBler darauf verstand, in Deckung zu gehen. Er war bestimmt nicht so dumm, sich in aller Öffentlichkeit zu zeigen oder durch Gerede auf sich aufmerksam zu machen. Das taten allenfalls gewöhnliche Kriminelle. Sie konnten es nicht lassen, zu prahlen, und vertrauten Leuten, die so viel Loyalität besaßen wie eine Klapperschlange und ›Freunde‹ an Messer lieferten, ohne mit der Wimper zu zucken. Nein, dieser Suworow war ein Profi, wenn man den Aussagen der Informanten glauben konnte. Typen wie ihn zu jagen war eine echte Herausforderung und mochte lange dauern, aber früher oder später ließen sie sich doch schnappen, weil es nicht ausbleiben konnte, dass sie irgendeinen Fehler machten, womöglich nur einen kleinen, der aber letztlich groß genug wäre. Es war nicht anzunehmen, dass er bei alten KGB-Kumpanen hatte untertauchen können. Nein, er hielt sich jetzt wahrscheinlich in einem völlig anderen Milieu auf, in einem, das ihm nicht freundlich gesinnt war und keinerlei Sicherheit bot. Reilly empfand manchmal ein gewisses Maß an Mitleid für Kriminelle, aber es hatte Grenzen – und es ging ihm völlig ab im Hinblick auf Mörder.
»Er ist anscheinend in ein Loch gekrochen und hat sich darin verbuddelt«, sagte Prowalow.
»Was wissen wir über ihn?«
Prowalow berichtete, was er zuvor erfahren hatte. »Man will sich in St. Petersburg unter Huren umhören. Vielleicht kennt ihn die eine oder andere.«
»Gut.« Reilly nickte. »Wahrscheinlich bevorzugt er die teuren. Welche wie Tanja. Wer weiß, vielleicht hat er Awseijenko gekannt. Vielleicht kennt er auch einige seiner Mädchen hier in Moskau.«
»Möglich. Ich könnte ein paar Leute darauf ansetzen.«
»Würde bestimmt nicht schaden«, sagte der FBI-Agent und gab dem Mann hinter dem Tresen ein Zeichen zum Auffüllen der Gläser. »Du hast hier einen richtig interessanten Fall. Ich wünschte, ich würde zu deinem Team gehören.«
»Dir gefällt so etwas, nicht?«
»Und ob! Je komplizierter ein Fall, desto spannender ist die Jagd. Und wenn das Schwein am Ende gestellt ist, hat man ein gutes Gefühl. Als Gotti geschnappt war, haben wir in Manhattan eine große Party steigen lassen. Teflon Don ...« Reilly hob sein Glas. »Auf dass man dich im Marion rundum verwöhnt, alter Junge.«
»Dieser Gotti… Hat er Leute umgebracht?«, fragte Prowalow.
»Allerdings. Als Auftraggeber, aber auch selbst. Seine rechte Hand Salvatore Gravano – alias Sammy the Bull – hat sich als Kronzeuge einspannen lassen und geholfen, dass wir den Fall zum Abschluss bringen konnten. Sammy ist in den Genuss des Zeugenschutzprogramms gekommen, hat aber dann in Arizona angefangen, mit Rauschgift zu dealen. Jetzt sitzt er, der Blödmann.«
»Wie gesagt: Kriminelle sind Armleuchter«, bemerkte Prowalow.
»Tja … Zu dumm, um sich mit redlichen Mitteln durchzuschlagen. Glauben, uns austricksen zu können. Was ihnen auch immer wieder mal gelingt. Aber früher oder später…« Reilly nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf.
»Und das trifft deiner Meinung nach auch auf Suworow zu?«
Reilly schmunzelte. »Oleg, machst du manchmal Fehler?«
Der Russe schnaubte. »Täglich.«
»Na also«, sagte der FBI-Mann. »Fehler macht jeder, ob Straßenfeger oder Präsident. Wir alle bauen reichlich Mist. Das ist nur menschlich. Wer das einsieht, kann’s trotzdem zu was bringen. Wir haben alle unsere Schwächen, sind aber meist nicht schlau genug, sie zu erkennen. Und wenn wir besonders schlau sein wollen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns unsere Schwächen auffallen, besonders
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