Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
er.
Golowko mochte ihm nicht widersprechen. »Gennadi Josifowitsch, wir sind uns sehr ähnlich. Wir beide sind auf der Hut vor Gefahren, auch wenn sie nicht akut sind. Sie wären ein hervorragender Geheimdienstler.«
»Danke, Genosse Minister«, sagte der General und prostete dem Gastgeber mit einem halb leeren Wodkaglas zu. »Bevor ich meinen Schreibtisch räume, werde ich hoffentlich einen Plan ausgearbeitet haben, der meinem Nachfolger helfen mag, unser Land gegen feindliche Angriffe wirksam zu verteidigen. Ich werde wohl in dieser Richtung nicht mehr selbst aktiv werden, wäre aber dankbar für die Möglichkeit, ein umfassendes Verteidigungsprogramm auszuarbeiten – wenn unsere politische Führung die Vorzüge unserer Vorschläge erkennen kann.« Und genau da lag der Hund begraben. Die russische Armee war durchaus in der Lage, einem Feind von außen Paroli zu bieten. Probleme bereiteten hauptsächlich die Widersacher im eigenen Land. Wo der Feind stand, war klar, nämlich vis-àvis. Aber den Standort vermeintlicher Freunde zu bestimmen war schon etwas schwieriger, denn die hatte man meist im Rücken.
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihr Anliegen dem Kabinett vortragen. Aber…«, Golowko hob die Hand, »wir müssen einen günstigen Zeitpunkt dafür abwarten.«
»Verstehe. Hoffen wir, dass uns die Chinesen so viel Zeit lassen.« Golowko leerte sein Glas und stand auf. »Vielen Dank, dass ich Ihnen mein Herz ausschütten durfte, Genosse Vorsitzender.«
»Wo ist er?«, fragte Prowalow.
»Ich weiß nicht«, antwortete Abramow müde. »Wir haben jemanden ausfindig gemacht, der ihn zu kennen vorgibt. Wo er wohnt, weiß unser Informant aber nicht.«
»Na schön. Und was wissen Sie?«, fragte Moskau in St. Petersburg nach.
»Unser Informant sagt, dass Suworow beim KGB war, 1996 dann wie viele andere entlassen wurde und dass er vermutlich in St. Petersburg wohnt – doch wenn das stimmt, hat er wahrscheinlich einen anderen Namen angenommen und falsche Papiere. Es sei denn, Suworow war der falsche Name. Ich habe eine Beschreibung von ihm. Männlich, um die fünfzig, mittelgroß. Schütteres blondes Haar. Physiognomisch unauffällig. Blaue Augen. Körperlich in guter Verfassung. Unverheiratet. Verkehrt angeblich häufig mit Prostituierten. Zurzeit ziehen wir Erkundigungen in der Szene ein, aber es hat sich noch nichts Näheres ergeben«, erklärte der Kollege aus St. Petersburg.
Erstaunlich , dachte Leutnant Prowalow. Wir haben so viele Quellen, und doch lassen sich keine verlässlichen Informationen beschaffen . Jagte er Gespenstern nach? Nun, davon gab es nun schon fünf an der Zahl. Awseijenko, Maria Iwanowa Sablin, einen Chauffeur, an dessen Namen er sich im Moment nicht erinnern konnte, und die beiden mutmaßlichen Spetsnaz-Killer Pjotr Alexeiewitsch Amalrik und Pawel Borissowitsch Zimjanin. Drei Gespenster, die im morgendlichen Berufsverkehr auf spektakuläre Weise in die Luft gesprengt worden waren, und zwei, die in St. Petersburg dran glauben mussten, nachdem sie ihren Job ausgeführt hatten, wobei noch fraglich war, ob sie im Sinne der Auftraggeber das Richtige getan oder gepatzt hatten.
»Wenn Sie mehr haben, melden Sie sich bitte.«
»Ja, Oleg Gregoriewitsch«, versprach Abramow.
Der Miliz-Leutnant legte den Hörer auf, packte alle ›heißen‹ Akten zusammen, verstaute sie in der verschließbaren Schublade seines Schreibtisches und ging nach unten. Kurz darauf bestieg er seinen Dienstwagen und fuhr zu seiner Stammkneipe. Reilly wartete schon und winkte ihm zu, als er zur Tür hereinkam. Prowalow hängte den Mantel an einen Haken und schüttelte dem Freund die Hand. Reilly hatte schon einen Drink für ihn bestellt.
»Auf dich ist Verlass, Genosse«, bedankte sich der Russe und trank einen ersten Schluck.
»Ich weiß doch, was du leidest«, sagte der FBI-Agent mitfühlend.
»Bei euch geht’s wohl ähnlich zu, nicht wahr?«
»Oh Mann, ich war noch nicht lange beim FBI, als ich mit dem Gotti-Fall zu tun hatte. Wir haben uns den Arsch aufgerissen, um dieses Ekelpaket zur Strecke zu bringen. Dreimal mussten die Geschworenen ausgewechselt werden, ehe er endlich rechtskräftig verurteilt wurde. Er sitzt jetzt bis ans Ende seiner Tage im Marion-Gefängnis, und das ist ein besonders mieser Knast.« Nach russischen Begriffen bedeutete ›mies‹ im Zusammenhang mit Strafvollzug wahrscheinlich noch etwas anderes, aber darüber wollte Reilly jetzt nicht weiter nachdenken. Ob in Amerika oder
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