Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Amerika verkaufte seine Waffen an die abtrünnige Provinz Taiwan, die zudem in bar bezahlte. Dies kam den Machthabern auf dem Festland wie ein Mückenstich an: Es tat nicht besonders weh, reizte aber ständig zum Kratzen, wodurch alles nur noch schlimmer wurde. Auf dem Festland lebten über eine Milliarde – tausend Millionen – Menschen, auf der Insel jenseits der Formosa-Straße dagegen weniger als 30 Millionen. Die so genannten Nationalchinesen arbeiteten ungleich produktiver und setzten 25 Prozent mehr Güter und Dienstleistungen um als die Volksrepublik, obwohl diese 40 Mal mehr Arbeiter und Bauern hatte. Die sehr viel höhere Produktivität der Insel hätte sich Peking gern zu eigen gemacht, nicht aber das politische und wirtschaftliche System, das diese erst möglich machte. Schließlich war das eigene System ja doch weit überlegen und ideologisch sehr viel besser fundiert. Das hatte schon Mao gesagt.
Über objektive Sachverhalte dachten Fang und Zhang und die anderen Mitglieder des Politbüros jedoch nicht länger nach. Sie hielten an ihren Glaubenssätzen nicht weniger treu fest als ein Geistlicher aus dem Westen an den seinen. Sie ignorierten sogar die Tatsache, dass die wenigen Unternehmen in der Volksrepublik, die Gewinn machten, aufgrund von früher getroffenen Ausnahmeregelungen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wurden. Doch ausgerechnet denen, die dem Land wirtschaftlich nützlich waren, wurde jeglicher politische Einfluss verwehrt, und die Regierenden schienen zuversichtlich vorauszusetzen, dass dieser Zustand auf ewig beizubehalten wäre, dass sich die Geschäftsleute und Unternehmen mit ihrem Geld und vergleichsweise hohem Lebensstandard begnügten und weiterhin den jetzigen Machthabern das Regieren überließen. Immerhin verfügten sie über Waffen und Soldaten. Und politische Macht kam schließlich nach wie vor aus Gewehrläufen.
»Bist du dir da sicher?«, fragte Fang Gan.
»Ja, Genosse, das bin ich. Wir sind doch gut zu den Yankees gewesen, oder? Wir haben uns in letzter Zeit brav zurückgehalten und die taiwanesischen Banditen in Ruhe gelassen.«
»Aber die Amerikaner beschweren sich über unsere Handelsmethoden.«
»Wissen die denn nicht mehr, wie Geschäfte gemacht werden?« , entgegnete Zhang künstlich verwundert. »Wir verkaufen ihnen unsere Ware, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Und nach eben diesen Kriterien kaufen wir im Ausland ein. Zugegeben, Boeing baut gute Flugzeuge. Aber die von Airbus sind nicht schlechter, und die Europäer sind uns politisch gewogener, während die Amerikaner ständig Krach schlagen und von uns verlangen, dass wir ihnen unseren Markt öffnen. Was wir ja auch tun – aber bitte schön nicht von heute auf morgen. Wir sind noch eine Weile auf den Überschuss angewiesen, den sie uns so freundlich gewähren. Demnächst werden wir unsere Automobilproduktion ausbauen und wie einst die Japaner auch in diesen Sektor vorstoßen. In fünf Jahren, Fang, werden wir den Amerikanern jährlich weitere fünf Milliarden Dollar abknöpfen, und das, mein Freund, ist eine sehr vorsichtige Schätzung.«
»Meinst du wirklich?«
Ein entschiedenes Kopfnicken. »O ja. Wir werden uns hüten, die Anfangsfehler der Japaner zu wiederholen und hässliche kleine Autos zu bauen. Wir halten bereits Ausschau nach amerikanischen Designern, die uns Autos nach dem Geschmack dieser weißen Teufel entwerfen.«
»Wenn du meinst ...«
»Wenn wir erst einmal genug Geld haben, um unsere Streitkräfte auszubauen, werden wir in jeder Hinsicht die führende Weltmacht sein. Industriell und militärisch die Nummer eins.«
»Ich fürchte, diese Pläne sind allzu ehrgeizig«, gab Fang vorsichtig zu bedenken. »Die vielen Jahre, die es dazu braucht, werden wir nicht mehr haben. Und was für ein Vermächtnis hinterlassen wir unserem Land, wenn sich der aufgezeigte Weg als der falsche erweist?«
»Was wäre daran falsch?«, fragte Zhang. »Zweifelst du an unseren Ideen?«
Immer dieselbe Frage , dachte Fang und seufzte innerlich. »Ich erinnere mich an Dengs Worte: ›Ob eine Katze schwarz oder weiß ist, tut nichts zur Sache, Hauptsache sie fängt Mäuse.‹ Worauf Mao knurrend fragte: ›Welcher Kaiser hat das gesagt?‹«
»Es tut sehr wohl etwas zur Sache, mein alter Freund, und das weißt du genau.«
»Natürlich«, antwortete Fang und nickte ergeben. So spät am Abend war er nicht auf einen Disput erpicht, und außerdem hatte er Kopfschmerzen. Mit den Jahren
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